96 Die Organisation des Staates. Die Staatsbehörden. 8 40
Rechtsmittel entstandenen Kosten zur Folge. Vor dem Berufungsgericht wird die Sache
„in den durch die Anträge bestimmten Grenzen“ von neuem verhandelt. Von den für das
Verfahren vor der Berufungsinstanz im allgemeinen anzuwendenden Vorschriften des erst-
instanziellen Verfahrens finden einzelne bestimmte Abweichungen statt. Namentlich hat das
Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und form- und frist-
gerecht eingelegt ist, und ist beim Mangel eines dieser Erfordernisse befugt, die Berufung
ohne vorgängige mündliche Verhandlung durch einen mit Gründen versehenen Bescheid
als „unzulässig“ zurückzuweisen. Falls gegen diesen Bescheid binnen einer Notfrist von zwei
Wochen von der Zustellung des Bescheids an kein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt
wird, gilt der Bescheid als endgültiges Urteil (Art. 80—83) 1).
4. Die Revision (vor dem Verwaltungsgerichtshof) findet vorbehaltlich ausdrück-
licher, anderweitiger, gesetzlicher Vorschriften gegen die zweitinstanziellen Urteile der Pro-
vinzialausschüsse statt und steht, was Frist, Art der Einlegung, Revisionsanschluß usw. anlangt,
im wesentlichen unter den gleichen Grundsätzen wie die Berufung. In der Revisionsschrift
muß angegeben werden, worin die behauptete Nichtanwendung oder unrichtige Anwendung
des bestehenden Rechts oder worin die behaupteten Mängel des Verfahrens gefunden werden
(Art. 84—88) 2).
Ist an dem Verfahren eine Staatsbehörde beteiligt, so wird sie durch einen von dem
zuständigen Ministerium bestellten Beamten, den sogenannten Vertreter des Staatsinteresses,
vertreten. Diesem sind die Akten mit den von dem Berichterstatter des Verwaltungsgerichts-
hofs gemachten Darlegungen so rechtzeitig mitzuteilen, daß er sich vor der Sitzung eventuell
schriftlich äußern kann. Eine Entscheidung ohne vorherige mündliche Verhandlung ist in
diesem Falle nur mit Zustimmung des Vertreters des Staatsinteresses zulässig. Findet eine
mündliche Verhandlung statt, so ist dem Vertreter des Staatsinteresses vor dem Schluß der
Verhandlung das Wort zu erteilen; ist er nicht erschienen, so sind die von ihm gestellten Anträge
zu verlesen. Die erlassene Entscheidung ist ihm ebenso wie den Parteien in einer Ausfertigung
zuzustellen (Art. 90, 91) ).
Der Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs unterliegen nur die von den Beteiligten
gestellten Anträge sowie — gegebenenfalls — die von den Parteien geltend gemachten oder
vom Gerichte aus eigener Initiative in Betracht gezogenen Revisionsgründe. Insoweit die
Revision für begründet erachtet wird oder die Entscheidung sich aus anderen Gründen als
nicht richtig darstellt, hebt der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Urteil auf oder ent-
scheidet in der Sache selbst, falls diese spruchreif ist. Ist letzteres nicht der Fall, so verweist
der Gerichtshof die Sache zur anderweitigen Entscheidung an diejenige Vorinstanz zurück,
die er nach der Sachlage für geeignet hält, und ordnet die Wiederholung oder Ergänzung des
Verfahrens insoweit an, als es nach seinem Ermessen mit einem wesentlichen Mangel behaftet
ist. Die Instanz, an welche die Sache zurückverwiesen ist, hat ihrer Entscheidung die rechtliche
Beurteilung zugrunde zu legen, aus der das Urteil aufgehoben worden ist (Art. 92—94) .
5. Das Rechtsmittel der Beschwerdeßb) findet nur in denjenigen Fällen statt, in
welchen es durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist, und ist begrifflich auf die Anfechtung solcher
Beschlüsse der Gerichte und ihrer Vorsitzenden sowie solcher Beschlüsse und Verfügungen
eines beauftragten oder ersuchten Richters beschränkt, die keine sachliche Entscheidung über den
Streitgegenstand selbst enthalten. Ausgeschlossen ist die Beschwerde grundsätzlich gegenüber
den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs und seines Vorsitzenden sowie gegenüber
den Entscheidungen der in der Hauptsache endgültig entscheidenden Gerichte und ihrer Vor-
sitzenden. Über die Beschwerde entscheidet das im Instanzenzug nächsthöhere Gericht end-
gültig. Die Beschwerdeeinlegung erfolgt binnen einer Notfrist von zwei Wochen von der
Zustellung der angefochtenen Entscheidung ab schriftlich bei dem Gericht, von dem oder von
1) Vgl. Entwurf 1910 S. 87, 88; Best S. 38, 39.
2) Vgl. Entwurf 1910 S. 89; Best S. 39f.
3) Vgl. Entwurf 1910 S. 90; Best S. 40, 41. S. auch oben S. 94.
4) Vgl. Entwurf 1910 S. 90; Best S. 41 f.
5) Vgl. Entwurf 1910 S. 91 f.; Best S. 42—45.