Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

8 41 Der Kompetenzkonflikt. 97 
dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist. Bei dem Kreisausschuß kann 
die Beschwerde auch mündlich zu Protokoll angebracht werden 1). Die Beschwerde kann auf 
neue Tatsachen und Beweise gestützt werden (Art. 95—98). 
Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die 
Beschwerde für begründet, so haben sie derselben abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde 
vor Ablauf einer Woche dem Beschwerdegericht vorzulegen, welches ohne vorgängige münd- 
liche Verhandlung über jene entscheiden kann. Wird die Anderung einer Entscheidung des 
beauftragten Richters oder einer ersuchten Behörde verlangt, so ist die Entscheidung des 
Prozeßgerichts nachzusuchen, gegen die sodann Beschwerde zugelassen ist (Art. 99, 100). 
IV. Wiederaufnahme des Verfahrens. Gegen Urteile, die mit einem 
ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden können, die also formelle Rechtskraft 
erlangt haben, ist als außerordentliches Rechtsmittel noch die Klage auf Wiederaufnahme 
des Verfahrens unter den für die Nichtigkeits= und Restitutionsklage des Zivilprozesses gelten- 
den Voraussetzungen und in dem in der Zivilprozeßordnung festgesetzten Umfange zugelassen. 
Das gleiche gilt auch für die nach Art. 44 VR. erlassenen, rechtskräftig gewordenen Be- 
scheide 2). Zuständig ist ausschließlich der Verwaltungsgerichtshof. Erachtet dieser die Wieder- 
aufnahmeklage für begründet, so hebt er die angefochtene Entscheidung auf, verweist die Sache 
zur anderweitigen Entscheidung an die nach der Sachlage hierzu geeignete Instanz und ordnet 
die Wiederholung oder Ergänzung des Verfahrens insoweit an, als es von dem Anfechtungs- 
grunde betroffen wird. Das mit der Sache hiernach befaßte Gericht ist an die dem Aufhebungs- 
beschlusse zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen gebunden (Art. 102, 103) 7). 
G. Der Kompetenzkonflikt. 
#s 41. I. Das Verfahren bei Kompetenzkonflikten war in Hessen bisher in dem Gesetz, 
die Ausführung der deutschen Zivilprozeßordnung und Konkursordnung betreffend, vom 
4. Juni 1879, i. d. F. der Bek. vom 22. September 1899 (RBl. S. 633) Art. 13—21 ge- 
regelt ). Das Gesetz, betreffend das oberste Verwaltungsgericht, vom 11. Januar 1875 
(RBl. S. 45) Art. 5 Ziff. 3 hatte die Entscheidung über Kompetenzkonflikte, in welchen seit- 
her der durch das gleiche Gesetz (Art. 17) aufgehobene Staatsrat 5) zu entscheiden hatte, dem 
damals errichteten Verwaltungegerichtshof übertragen. Die Neufassung der Zivilprozeß- 
ordnung, die Aufhebung des letztgenannten Landesgesetzes von 1875) und eine die Mängel 
der bisherigen Gesetzgebung aufzeigende Entscheidung der vereinigten Zivilsenate des Reichs- 
gerichts vom 22. Mai 1901 (Entsch B. 48, S. 195 ff.) 7) machten eine Neuregelung der Vor- 
schriften über das Verfahren bei Kompetenzkonflikten notwendig. Diese Neuregelung erfolgte 
in der Weise, daß gemäß Art. 104 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 8. Juli 1911 „die 
Art. 13 bis 15, 17, 19, 20“ des vorgenannten Ausführungsgesetzes nunmehr „nach Maßgabe 
der Vorschriften der Artikel 105 bis 109“ Anwendung zu finden haben. Die letztgenannten 
Artikel enthalten, während „die Artikel 13 bis 20 des AG. zur Z PO. ihrem Inhalte nach 
wesentlich für die Gerichte bestimmt sind“, einige „für die Verwaltungsbehörden bestimmte" 
„Ergänzungs= und Abänderungsvorschriften“ 8). Der durch das neue Gesetz teils gegenstands- 
1) Nach dem unwidersprochenen Ausschußbericht der II. Kammer (s. Best S. 44) kann das 
Protokoll nicht nur von dem Kreisrat und dem Protokollführer, sondern von iedem bei dem Kreis- 
amte beschäftigten Beamten einschließlich der Referendare und Assessoren ausaenommen werden. 
2) Siehe Entwurf 1910 S. 93; Best S. 45. 
3) Siehe Entwurf 1910 S. 92 .; Best S. 45. 
4) Bezüglich der früheren Bedeutung und Regelung des Kompetenzkonfliktes in Hessen 
s. Zentgrafa. a. O.; Eigenbrodt, H. I S. 332—385 u. Eigenbrodt, Verhösltnis 
der Gerichte zur Verwaltung S. 1—26; bezüglich der allgemeinen Begriffe s. E. v. Meier, 
S. 755 u. die dort angeführten Schriftsteller, sowie Edgar Loening, Gerichte und Verwaltungs- 
behörden in Brandenburg-Preußen, i. Verwaltungsarchiv B. III S. 94 ff., bes. S. 158. 
5) Vgl. über diese Behörde van Calker, Jahrb. f. öff. R. II 127, 129 ff. 
6) Siehe Verwaltungsrechtspflegegesetz v. 8. VII. 1911, Art. 142. 
7) Siehe Laband, kl. A., S. 315. 
8) Siehe Entwurf 1910, Begr. z. Art. 106 (ietzt 104), vorletzter Absatz, S. 94; Best S. 47. 
van Calker, Hessen. 7
	        
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