100 Die Organisation des Staates. Die Staatsbehörden. g 43
Nach der Legaldefinition 1) ist Staatsbeamter jeder, „der im Zivilstaatsdienst eine An-
stellung, sei es unwiderruflich oder auf Widerruf von dem Großherzog oder in dessen Namen
von der Regierung erlangt hat“ 2). Diese Legaldefinition findet ihre notwendige Ergänzung
in allgemeingültigen Staatsrechtsgrundsätzen 3). Der Beamtenbegriff erfordert hiernach
vor allem die Begründung eines Dienstverhältnisses unmittelbar
gegenüber dem Staatez; die Anstellung im Dienste von Kommunalverbänden, Ge-
meinden, Kirchen, Stiftungen usw. begründet demgemäß keine Staatsbeamteneigenschaft ").
Begrifflich gleichgültig sind für die Begründung der Beamtenqualität die folgenden in der
Literatur häufig als maßgebend erachteten Umstände: Die Erteilung bzw. der Empfang einer
schriftlichen Anstellungsurkunde, die Abnahme bzw. die Leistung eines Diensteides, der Besitz
der Staatsangehörigkeit, die Übertragung bzw. die Bekleidung eines bestimmten Staats-
amtes oder bestimmter staatshoheitlicher Funktionen, die Verleihung bzw. Führung eines
amtlichen Titels, die Dauer und Unwiderruflichkeit des Anstellungsverhältnisses, die Gewährung
bzw. der Bezug eines Diensteinkommens aus der Staatskasse u. a. Wesentlich ist da-
gegen dem Staatsdienstverhältnisse einerseits die Freiwilligkeit bei der Ein-
gehung dieses Verhältnisses, und zwar sowohl auf seiten des Staats wie auf seiten des
künftigen Beamten, andererseits die Entstehung besonderer öffentlicherecht-
licher Beziehungen zwischen dem Staat und seinem Beamten. Die erste dieser beiden
Besonderheiten des Staatsdienstverhältnisses unterscheidet dieses in charakteristischer Weise
von dem unmittelbar auf gesetzlichem Zwang beruhenden Dienstverhältnis des Soldaten,
des Schöffen, der Provinzialausschußmitglieder usw. Die an zweiter Stelle genannte Eigentüm-
lichkeit des Staatsdienstverhältnisses unterscheidet dieses in ebenfalls typischer Weise von dem
auf der Dienstmiete des bürgerlichen Rechts beruhenden Dienstverhältnisse eines beliebigen
zivilrechtlichen Kontrahenten 5) gegenüber dem Staate. Wo eine jener beiden Besonderheiten
fehlt, da fehlt auch die Beamtenqualität. Das Fehlen der Beamtenqualität schließt aller-
dings die Entstehung einzelner beamten ähnlicher Rechte und Pflichten nicht aus 5).
2. Bezüglich der Unterscheidung verschiedener Arten von Beamten ist positivrechtlich
— abgesehen von den unten (S. 112) angeführten Sondergrundsätzen für die Beamtenklassen
mit besonderer Rechtsstellung — hauptsächlich die Unterscheidung zwischen richterlichen und
nichtrichterlichen Beamten von Bedeutung. Der Kategorie der richterlichen Beamten sind die
Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofs und diejenigen der Oberrechnungskammer gleichgestellt.
#43. Die Begründung des Beamtenverhältnisses. Die Begründung
des Staatsdienstverhältnisses erfolgt durch ein zweiseitiges Rechtsgeschäft,
nämlich einerseits die Abgabe der Anstellungserklärung von seiten des Staates
und andererseits die Annahme dieser Erklärung von seiten des künftigen Beamten ?).
Die regelmäßige Form der Abgabe der staatlichen Anstellungserklärung ist nach feststehender
Übung s) die Ausfertigung eines schriftlichen Anstellungsdekrets; die regelmäßige Form
der Annahme der Anstellungserklärung ist die stillschweigende Entgegennahme des
1) Gesetz vom 21. IV. 1880, betr. die Disziplinarverhältnisse der nichtrichterlichen Staats-
beamten, Art. 1, RBl. S. 67, ahnlich Entwurf Art. 1 S. 3 und 27.
2) Der Gegensatz zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Anstellung wurde durch
das Gesetz v. 2. VIII. 1899 beseitigt. Vgl. Entw. Art. 17 Abf. 1.
3) Vgl. hierüber namentlich Laband I S. böff.; Anschütz, StR. S. 587 ff.; s. auch
Wie bat. Das hessische Staatsbeamtenrecht, Gießener Diss., Mainz 1907, S. 9 ff.
rt Wiegand S. 14 ff. und bes. die S. 15 A. 1 zitierte Entschdg. d. Hess. VGH.,
betr. 7# lung d. Rabbiner.
5) Zum Beispiel eines vom Staate beschäftigten Privatarchitekten.
6) Vgl. G. v. 21. IV. 1880, Art. 2 u. 3: G. v. 24. XII. 1902, & 1 Abs.7 Z. 2 u. Entw. Art. 10.
Bezüglich des Begriffs staatlicher Arbeiter“ s. VO. v. 29. III. 1901, die Errichtun i einer Ver-
sorgungsanstalt f. staatl. Arbeiter betr., nebst Normativbestimmungen vom gl. Tg., RBl. S. 279.
7) Hinsichtlich der allgemeinstaatsrechtlichen Literatur über diese Frage s. Laband und
schne tz a. a. O.; ferner Wiegand S. 20 ff., wo auch die hess. Literatur angeführt ist
es. S. 28).
8) Vgl. Entwurf S. 2