8 44 Die Pflichten und Rechtsbeschränkungen der Staatsbeamten. 103
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schuldig, so ist sie hierfür von den obersten Behörden zur Rechenschaft zu ziehen, widrigenfalls
die letzteren die Verantwortlichkeit selbst übernehmen müssen 1).
Besondere Grundsätze gelten nach Reichsrecht für die Gehorsamspflicht der Richter:)
und nach Landesrecht entsprechend für die Gehorsamspflicht der Verwaltungsrichter
und der Mitglieder der Oberrechnungskammerg).
4. Die Pflicht zur gewissenhaften Amtsführunggy)), zur Amtsver-
schwiegenheits) und zur Amtsanwesenheit)).
5. Die Pflicht zu achtungswürdigem Verhalten?).
6. Die Rechtsbeschränkungen der Staatsbeamten bestehen namentlich in
folgendem:
a) -Die Übernahme von Nebenämtern oder Nebenbeschäftigungen, mit welchen ein dauern-
des Einkommen verbunden ist, bedarf ministerieller Erlaubnis. Jede gewinnbezweckende
Beteiligung eines Beamten an der Gründung, Leitung oder Verwaltung einer auf Erwerb
gerichteten Gesellschaft ist unbedingt verboten 5).
b) Die Mitglieder der Ministerien und der Oberrechnungskammer sind im ganzen Staats-
gebiete, gewisse Justiz- und Verwaltungsbeamte innerhalb ihrer Dienstbezirke nicht zu Ab-
geordneten wählbar ?). Weitere Einschränkungen bestehen, namentlich für Verwaltungsbeamte,
in bezug auf die Wählbarkeit zur Gemeindevertretung, zum Bürgermeister und zum Bei-
(Staatsm. Frhr. du Thil) u. Beil. 18 S. 70 ff. (Oberappellationsgerichtsrat Arens); LB. II
1820/1821 B. 3 Beil. 106 S. 5 ff. (Abg. Floret), B. 8 Beil. 268 S. 26 ff. (Abg. Floret). Die
Frage ist im Hinblick auf die Präambel des hess. Ministerverantwortlichkeitsgesetzes v. 5. VII.
1821 m. E. grundsätzlich zu verneinen.
1) Bgl. hierüber und über die Ministerverantwortlichkeit L B. 1 1820 Beil. 15 S. 59 (Frhr.
du Thil) und oben S. 68 ff.
2) G. 1.
3) Bgl. unten S. 112 u. 82.
4) Siehe besonders G. v. 31. V. 1879 Art. 1; G. v. 9. VI. 1898 Art. 5 Abs. 3; Staatsdiener-
edikt Art. 6; Wiegand S. 43.
5) Eine ausdrückliche Statuierung dieser allgemein anerkannten Pflicht fehlt bisher. Siehe
aber Publikandum v. 7. XII. 1829 (RBl. S. 509; van Calker, V6. S. 149) und Landtags-
abschied von 1830 §+ 40 (RBl. S. 390), sowie Entw. Art. 6. — Bgl. Wiegand S. 50 ff.
6) Auch diese selbstverständliche Pflicht ist nicht für alle Beamten ausdrücklich statuiert;
sie ergibt sich aber u. a. aus den Vorschriften über Beurlaubung. Siehe Wiegand S. 43 ff.
Die Pflicht zur Amtsanwesenheit verbietet grundsätzlich die Übernahme jeder, wenn auch an
sich statthaften Tätigkeit, welche eine Entfernung vom Amtssitze notwendig macht. Demnach
wäre auch die Teilnahme an der Ständeversammlung ohne Urlaubserteilung unzulässig. Auf
diesem Standpunkte steht stillschweigend Art. 59 Abs. 2 Ziff. 2 HB., und ausdrücklich Art. 19
des Wahlgesetzes vom 6. September 1856, RBl. S. 261, welch letzterer bestimmt: „Active groß-
herzogliche Civil- und Militär-Beamte .. welche zu Abgeordneten gewählt werden, bedürfen
zum Eintritte in die Ständeversammlung des Urlaubs der Staatsregierung". Die Frage der
Durchführung und Aufrechterhaltung dieses Grundsatzes bildete lange Jahre hindurch den Gegen-
stand heftigen Streites zwischen Regierung und Volksvertretung, bis die erstere in Art. 15 der
beiden Wahlrechtsentwürfe von 1872 ausdrücklich auf das Recht der Urlaubserteilung verzichtete
(s. Kissel S. 87, 97). Da jedoch die erste Kammer das Recht zur Urlaubserteilung oder -ver-
weigerung damals im Gegensatz zur zweiten Kammer beizubehalten und eine ausdrückliche Rege-
lung der Urlaubsfrage in dem neuen Wahlgesetz vermieden zu sehen wünschte, kam schlieshe
ein Kompromiß zustande, wonach die zweite Kammer zwar auf ihrem entgegengesetzten Stand-
punkte stehen blieb, aber auf die förmliche Aufnahme jenes Artikels in das neue Wahlgesetz
Verzicht leistete. So kommt es, daß sowohl in den Wahlgesetzen von 1872, wie neuerdings
auch in dem Lst G. von 1911 eine ausdrückliche Bestimmung über die Frage der Urlaubserteilung
fehlt, daß also der Beamte nach dem formalen Recht für die Ausübung eines etwaigen Abge-
ordnetenmandats um Urlaub nachuuchen muß. Der Urlaub kann dem Beamten jedoch mit
Rücksicht auf die verfassungsmäßige Pflicht der Mandatsausübung (so Küchler [Braun
u. Weber ] 1 S. 134) nicht verweigert werden. A. M. Cosack S. 25, Wiegand S. 45.
7) Siehe G. v. 31. V. 1879 Art. 9; G. v. 21. IV. 1880 Art. 5; vgl. auch Kreisrats.=
instruktion v. 1832 (RBl. S. 609 5 3) u. Bek. v. 13. XlI. 1833, das Venehmen der Staats-
diener betr. (RBl. Nr. 70 ½); Wiegand S. 40 ff.
8) Siehe Staatsdieneredikt Art. 7 u. 15; G. v. 4. I. 1875 (RBl. S. 2); Entw. Art. 7 ff.
nebst Begründung; Wiegand S. 53f.
9) LstG. Art. 15, Oberrechnungs K G. Art. 4.