Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

104 Die Organisation des Staates. Die Staatsbehörden. 8 45 
geordneten, zum Kreistag und den übrigen Vertretungsorganen der Kommunalverbände. 
Soweit ihre Wählbarkeit nicht überhaupt ausgeschlossen ist, bedürfen aktive Staatsbeamte 
zum Eintritt in die kommunalen Organe stets der Erlaubnis des vorgesetzten Ministeriums 1). 
#s 45. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzungen. Die Rechtsfolgen 
der Pflichtverletzung können vierfacher Art sein und unter Umständen kumuliert 
werden: 
1. Strafrechtliche Folgen). Sie bestimmen sich nach Reichsstrafrecht und 
können nur eintreten beim Vorliegen der speziellen Tatbestandsmerkmale eines im Straf- 
gesetz mit Strafe bedrohten eigentlichen oder uneigentlichen Amtsdelikts. Ein Beamter kann 
jedoch zufolge Art. 77 AG. z. BG. 3) wegen einer Handlung, die er in Ausübung oder in 
Veranlassung der Ausübung seines Amtes vorgenommen hat, strafrechtlich (ebenso wie auch 
zivilrechtlich) erst verfolgt werden, nachdem entweder der Verwaltungsgerichtshof Vorent- 
scheidung dahin getroffen hat, daß der Beamte sich einer Überschreitung seiner Amtsbefugnisse 
oder der Unterlassung einer ihm obliegenden Amtshandlung schuldig gemacht hat, oder nachdem 
das dem Beamten vorgesetzte Ministerium auf eine solche Vorentscheidung verzichtet hat ). 
Niederschlagung der Untersuchung ist beim Vorliegen von Dienstverbrechen unzulässig. Eine 
eventuelle Begnadigung beseitigt nicht die nach Reichsstrafrecht gegebenenfalls eingetretene 
Unfähigkeit zur Wiederanstellung im Staatsdienste 5). 
2. Privatrechtliche Folgeny?). 
Die formellen Voraussetzungen der zivilrechtlichen Inanspruchnahme eines Beamten 
sind die gleichen wie diejenigen der strafrechtlichen Verfolgbarkeit 7). Die materiellen Voraus- 
setzungen bestimmen sich teils nach Reichs-, teils nach Landesrecht und sind großenteils 
privatrechtlicher Natur. 
a) Schadenersatzpflicht gegenüber Privatpersonen. Verletzt ein 
Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende 
Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen; im Falle 
der Fahrlässigkeit jedoch nur dann, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz 
erlangen kann. Ist die Amtspflichtverletzung bei Gelegenheit des Urteils in einer Rechtssache 
erfolgt, so besteht eine Schadenersatzpflicht des Beamten nur dann, wenn die Pflichtverletzung 
mit einer öffentlichen gerichtlichen Strafe bedroht ist. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung 
oder Verzögerung der Amtsausübung ist diese Vorschrift nicht anwendbar. Die Ersatzpflicht 
tritt nicht ein, wenn der Verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden 
durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (BGB. F 839). Geschah die Amtspflicht- 
verletzung nicht bei Gelegenheit einer Amtshandlung, so haftet der Beamte dem geschädigten 
Dritten nach den allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen (BG#B. 8F 823 ff.) 5). 
Die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Fragen (Beamteneigenschaft, Amtspflicht usw.) be- 
antworten sich nach den oben berührten landesstaatsrechtlichen Grundsätzen. Die letzteren 
sind namentlich auch für die Entscheidung der Frage maßgebend, ob es sich tatsächlich um 
die Verletzung einer Pflicht handelt, die gegenüber dem geschädigten Dritten bestand oder 
1) LGO. u. StO. Art. 40 u. 70; KO. u. F. Art. 25, 45, 68, 81. 
9 7 Vgl. im allg. Laband I S. 469 f.; Meyer-Anschütz S. ö17ff.; Wiegand 
56 ff. 
3) Vgl. auch § 11 Es . z. G#G.; Art. 8 AG. z. G#.; Art. 110—112 BRG. 
4) Über die Vorgeschichte und die Bedeutung dieser Pestimmung val Zeitschr. f. St GB. 
VI S. 3; Best, AG. z. BGB. Art. 87 Anm.; LV. II 1887/1900 Drucks. Nr. 603, Begr. z. 
Art. 78, 79 S. 65; Wiegand S. 58 ff. 
5) HV. Art. 50. Vgl. dazu Co fack S. 47; Heimberger, Das landesherrliche Abolitions- 
recht, Leipzig 1901, S. 50, 53 f.; van Calker, BG., S. 68f. u. 116; Wiegand S. öJ7ff. 
6) Vgl. namentlich Delius, Haftpflicht des Beamten, Berlin 1901; Laband 1 S. 474; 
Wiegand S. 60 ff.; Wolf, Hessisches Landesprivatrecht (Ergänzungsband VII zu Dern- 
burg, Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens, hrsg. v. Paul Wolf in 
Gemeinschaft mit Ludwig Gauf und Ludwig Fuchs, Halle 1910) S. 116 f. 
7) Siehe AG. z. BGB. Art. 77 und die obigen Literaturangaben. 
8) Siehe Delius S. 26.
	        
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