Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

l 53 Die Organisation der Stadtgemeinden. 121 
  
III. Rechte der Ortsbürger am Gemeindevermögen. Die An- 
sprüche der Ortsbürger auf Teilnahme an dem Genuß des Gemeindevermögens werden durch 
die Gesetzgebung des Jahres 1911 nicht berührt. Sie bestimmen sich wie bisher nach den 
Vorschriften der Gesetze über die Waldstreu vom 2. Juli 1839, über die Gemeindenutzungen 
der Ortsbürger vom 21. Juni 1852 und über die Gemeindeausgaben vom 22. November 1872, 
Art. 2, soweit nicht durch das Gesetz vom 4. Januar 1905, betreffend die Umwandlung und 
Ablösung der Streuberechtigungen in fremden Waldungen, Anderungen bedungen werden. 
Im einzelnen kann hier auf jene Gesetze nicht eingegangen werden 1). Uber bestrittene An- 
sprüche der Ortsbürger entscheiden auf erhobene Klage die Verwaltungsgerichte (Kreisausschuß 
erste, Provinzialausschuß zweite, VG. dritte Instanz) (St O., LG. Art. 31). 
Ein einem Ortsbürger überlassenes Grundstück (Allmendlos) kann demselben ganz oder 
teilweise entzogen werden, wenn es als Bauplatz, zur Herstellung einer Eisenbahn oder eines 
öffentlichen Weges oder zur Anlage bzw. Erweiterung einer Reichs-, Staats- oder Kommunal- 
anstalt verwandt werden soll. Der Nutzungsberechtigte kann der Entziehung nicht widersprechen, 
hat aber Anspruch auf eine Entschädigung, deren Höhe mangels gütlicher Ubereinkunft im 
Rechtsweg festzustellen ist. (St O., LGpO. Art. 32.) — Eine Beschränkung der den Ortsbürgern 
überwiesenen Nutzungen und ebenso eine Beschränkung oder Aufhebung von Nutzungen an 
Grundstücken, die von jedem Gemeindeangehörigen ungeteilt ausgeübt werden 2), wegen Verkauf, 
Kulturveränderung usw. ist von der Erfüllung folgender Voraussetzungen abhängig: a) Beschluß 
der Gemeindevertretung, b) einwöchige Offenlegung dieses Beschlusses nach vorheriger 
öffentlicher Bekanntgabe und entsprechender Aufforderung zur Einsichtnahme bzw. Vorbringung 
von Einwendungen, c) Aktenvorlage an den Kreisrat, d) Genehmigung des unter s genannten 
Gemeindevertretungsbeschlusses durch den Kreisrat bzw. — beim Vorliegen von Einwendungen— 
durch das zuständige Verwaltungsgericht. Bezüglich Losholz= und Lostorfabgaben behält es 
bei dem Art. 10 des oben genannten Gesetzes vom 21. VI. 1852 sein Bewenden. — Die 
gänzliche Ablösung des Ortsbürgernutzens soll durch später zu erlassende besondere gesetzliche 
Bestimmungen geregelt werden 3) (St O., LGO. Art. 33). Jeder eine Veränderung in bezug 
auf den Genuß von Gemeindenutzungen betreffende Gemeindevertretungsbeschluß bedarf 
der Genehmigung des Kreisrats. Falls diese Genehmigung nicht erteilt wird oder Einwendungen 
vorliegen, so ist hierüber im Verwaltungsstreitverfahren, und zwar in erster Instanz vom 
Provinzialausschuß, zu entscheiden (St O., LG#. Art. 34.) 
s53. Die Organisation der Stadtgemeinden. Nach dem Gesetze, die Städte- 
ordnung betreffend, vom 8. Juli 1911, welches auf alle diejenigen Gemeinden Anwendung 
findet, die kraft Gesetzes oder auf Grund eigenen Antrags (St O. Art. 3) den Charakter von 
Stadtgemeinden haben "), zeigen die hessischen Städte folgende Organisation: 
I. Die Stadtverordnetenversammlung. Die Stadtverordnetenversamm- 
lung besteht je nach der Einwohnerzahl der Stadt aus 12 bis 42 Mitgliedern 5); außer diesen 
haben in dieser Versammlung auch noch der Bürgermeister und die Beigeordneten Sitz und 
Stimmrecht (St O. 35, 105). Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei 
Stimmengleichheit gilt jeder gestellte Antrag als abgelehnt; nur in Personalfragen hat bei 
Stimmengleichheit der Vorsitzende das Recht, durch Stimmentscheid die Entscheidung zu 
geben (St O. Art. 110) "). Voraussetzung der Beschlußfähigkeit ist grundsätzlich die Anwesenheit 
von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Stadtverordneten (St O. 104, 105). 
Bezüglich Wahl und Stellung der Stadtverordneten ist folgendes hervorzuheben: 
1. Die Wahlen sind entweder Neuwahlen oder Ergänzungswahlen. Erstere 
1) Siehe hierüber Waldecker §#§ 11 ff. 
2) So z. B. von Weiden. 
3) Bgll. Best zu StO. 33. 
4) Siehe hierüber oben #§ 51; vgl. auch # 5. 
5) Die Zahl der Stadtverordneten beträgt bei 3000—4000 Einwohnern (einschließlich der 
aktiven Militärpersonen) 12, bei 4001—10 000 Einw. 15, bei 10001—20 000 Einw. 18, bei 
20 001—30 000 Einw. 30, bei 30 001—60 000 Einw. 36 und über 60 000 Einw. 42. 
6) Vgl. Best zu Art. 110 St.
	        
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