128 Die Organisation des Staates. Die Selbstverwaltungskörper. l 53
ist Beschwerde an den Kreisrat bzw. an das Ministerium des Innern, gegen die Strafe unter
Berufung an den Provinzialausschuß zulässig (Art. 155, 157).
I) Die Disziplinarstrafe der Dienstentlassung kann gegen unwiderruflich angestellte Be-
amte nur auf Grund einer im Verwaltungsstreitverfahren herbeizuführenden Entscheidung
verhängt werden und setzt eine vom Bürgermeister zu leitende Disziplinaruntersuchung voraus.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist endgültig. Die Dienstentlassung hat den Verlust
des Titels und des Ruhegehaltsanspruchs von Rechts wegen zur Folge; jedoch kann dem
Entlassenen unter besonderen, eine mildere Beurteilung rechtfertigenden Umständen ein
Teil des ihm regulär zustehenden Ruhegehalts auf Lebenszeit oder auf bestimmte Dauer
belassen werden. Hat ein in den Ruhestand getretener städtischer Beamter sich während seiner
amtlichen Tätigkeit eines Dienstvergehens schuldig gemacht, so tritt an Stelle der Dienst-
entlassung die Aberkennung des Titels und des Ruhegehalts (Art. 152—154, s. auch 157).
d) Falls ein Beamter wegen einer strafbaren Handlung verfolgt wird, welche die Ab-
erkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge haben kann, sind sowohl der Bürgermeister
als auch der Kreisrat zur einstweiligen Enthebung des Beamten vom Dienst und Gehalt befugtt#9.
VIII. Die Magistratsverfassung. 1. Schon die bisherige Städteordnung
hatte den Stadtgemeinden die Befugnis verliehen, aus den Beigeordneten und aus Mit-
gliedern der Stadtverordnetenversammlung ein besonderes Kollegium — einen sog. Magistrat —
zu bilden, welches dem Bürgermeister mit beschließender Stimme zur Seite stehen sollte.
Die Unvollkommenheiten, welche dieser Einrichtung nach dem bisherigen Rechte anhafteten,
hatten jedoch die Folge, daß die Magistratsverfassung seither noch in keiner hessischen Gemeinde
eingeführt wurde. Die Vorschriften, welche nunmehr die neue St O. in bezug auf diese fakul-
tative Einrichtung trifft, vermeiden, indem sie sich an die bewährten Grundsätze der preußischen
Provinz Hessen-Nassau anschließen, die bisherigen Mängel 2).
2. Die Einführung der Magistratsverfassung ist nur in Gemeinden mit mindestens
15 000 Einwohnern (einschließlich der aktiven Militärpersonen) möglich. Sie setzt voraus, daß
sich die Stadtverordnetenversammlung in wiederholten Beschlüssen für die Einführung dieser
Einrichtung ausgesprochen hat, daß zwischen dem ersten und dem zweiten Beschluß ein min-
destens einwöchiger Zeitraum liegt, daß hierauf ein entsprechender Antrag von seiten der
Stadtvertretung gestellt wurde, und daß das Ministerium des Innern die Einführung ge-
nehmigt hat. Ist die Einführung erfolgt, so ergeben sich hieraus für die Verwaltung und Ver-
fassung der betressenden Gemeinde trotz der grundsätzlichen Anwendbarkeit der übrigen grund-
legenden Bestimmungen der St O. eine Reihe von Besonderheiten, von denen hier folgende
hervorzuheben sind:
a) Magistrat und Stadtverordnetenversammlung zusammen bilden die Stadt-
vertretung (Art. 204).
b) Der Magistrat besteht aus dem Bürgermeister, den Beigeordneten und — vorbehaltlich
abweichender ortsstatutarischer Festsetzung — sechs bis zehn besoldeten und unbesoldeten Stadt-
räten 3) (Art. 205).
c) Der Magistrat hat namentlich folgende Funktionen:
#) Erledigung bestimmter, sonst dem Bürgermeister zugewiesener Geschäfte (Art. 213
mit 121 Nr. 2, 4—6, 8, 9; Art. 126 Abs. I Satz 3 u. 4, Art. 224—228);
5)Vorbereitung der Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung (Art. 213);
7) Ausführung dieser Beschlüsse vorbehaltlich der Bestimmungen der Artikel 214, 215,
228 Abs. I (Art. 213);
betraut sein (Art. 160). Namentlich stehen den besonderen staatlichen Lokalpolizeibeamten gegen-
Üüber den ihrer Aufsicht unterstehenden Polizeibeamten an Stelle des Bürgermeisters die andern-
falls diesem zukommenden disziplinarischen Rechte zu (Art. 159).
1) Bezüglich der Anfechtung dieser provisorischen Maßnahme und der eigentlichen Ordnungs-
strafverfügungen vgl. Best zu Art. 158 St.
2) Siehe LV. II 1905/8, Drucks. Nr. 110 S. 302 u. Drucks. Nr. 288; L V. II 1908/11
Drucks. 189 (neuester Entwurf) S. 62 ff., 143 ff.; Best zu Art. 202 StO.
3) Ihre Zahl beträgt in der Regel in Gemeinden mit bis zu 50 000 Einwohnern 6, mit
50 000 bis 100 000 Einwohnern 8, mit mehr als 100 000 Einwohnern 10.