132 Die Organisation des Staates. Die Selbstverwaltungskörper. 8 55
amt tätigen Bürgermeisters ein besoldeter Bürgermeister gewählt werden kann. Die Wahl
geschieht durch den Gemeinderat auf neun Jahre. Wählbar sind nur männliche hessische
Staatsangehörige, die seit drei Jahren in Hessen wohnen, am Wahltage das 25. Lebensjahr
vollendet haben, nicht infolge Verurteilung unfähig zur Bekleidung öffentlicher Amter und
nicht kraft Gesetzes in der Ausübung des Wahlrechts behindert sind. Alle näheren Vorschriften
hat die Ortssatzung zu enthalten. In zusammengesetzten Bürgermeistereien mit einer Gesamt-
zahl von mehr als 3000 Einwohnern erfolgt die Bürgermeisterwahl gegebenenfalls durch sämt-
liche, zu einer gemeinsamen Sitzung einzuberufende Gemeinderäte 1).
III. Deputationen und Kommissionen. In gleicher Weise wie in den
Stadtgemeinden können auch in den Landgemeinden Deputationen zur dauernden
Verwaltung oder Beaufsichtigung einzelner Geschäftszweige und Kommissionen zur
Erledigung vorübergehender Aufträge gebildet werden. Von der Einrichtung von Aus-
schüssen wurde abgesehen, da deren Funktionen in den Landgemeinden ohne Schwierigkeit
von dem Bürgermeister selbst besorgt oder an die betreffenden Deputationen oder Kommissionen
überwiesen werden können.
Bezüglich der Deputationen und Kommissionen in den Landgemeinden gelten im wesent-
lichen die gleichen Grundsätze wie bezüglich der gleichnamigen städtischen Organe 2).
IV. Die Beamtender Landgemeinden. Die Vorschriften über die Rechts-
verhältnisse der Gemeindebeamten in den Landgemeinden entsprechen im allgemeinen den-
jenigen für die städtischen Beamten 8). Von den bestehenden Verschiedenheiten sind folgende
heworzuheben:
1. Die vom Gemeinderat aufgestellten Besoldungsvorschriften sind vom Kreisrat darauf-
hin zu überwachen, daß die Besoldungen in richtigem Verhältnis zu den zu stellenden An-
forderungen stehen. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen Kreisrat und Gemeinderat
wird im Verwaltungsstreitverfahren entschieden. In Gemeinden von über 3000 Einwohnern
sind die Anstellungs= und Besoldungsverhältnisse durch Kreis- oder Ortssatzung zu regeln 4).
2. Die Anstellung der Landgemeindebeamten erfolgt, soweit im Einzelfall nichts anderes
beschlossen oder vertragsmäßig vereinbart wird, unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs 5).
3. Das auf Widerruf angestellte Polizeipersonal und Feldschutzpersonal kann im dienst-
lichen Interesse vom Kreisrat seines Amtes enthoben und auch bei Widerspruch des Gemeinde-
rats entlassen werden. Dem letzteren steht hiergegen Beschwerde an das Ministerium des
Innern zu?s).
4. Der Höchstbetrag der gegenüber Landgemeindebeamten zulässigen Disziplinargeldstrafe
ist 200 Mk.)).
§ 55. Der Wirkungskreis der Gemeinden und die Zuständigkeit ihrer Ver-
fassungsorgane. I. Die eigentliche Gemeindeverwaltung. Die Aus-
drücke „eigentliche Gemeindeverwaltung“, „eigene Gemeindeangelegenheiten“ oder „Ge-
meindeangelegenheiten“ schlechthin werden in der hessischen Gemeindegesetzgebung vielfach
angewandt, ohne daß ihr Begriff vom Gesetzgeber selbst erklärt würde. Der allgemeine
Sprachgebrauch versteht hierunter den Kreis derjenigen Angelegenheiten, deren Vorhanden-
sein sich aus dem Gemeindebegriff selbst erklärt, deren Existenz aus dem Wesen der Gemeinde
selbst entspringt. Sie sind der Gemeinde eigentümlich im Gegensatz zu denjenigen Angelegen-
heiten, welche den Gemeinden an sich fremd sind und mit denen diese, wenn sie ihr nicht
von anderer Seite übertragen würden, von sich aus nichts zu tun haben würden. Unter den
Begriff der eigenen Gemeindeangelegenheiten oder des „eigenen Wirkungskreises der Ge-
1) LG# Art. 88; vgl. hierzu Best a. a. O.; s. auch Art. 89.
2) Siehe LGO. Art. 129—136; vgl. Best a. a. O. und den vorstehenden Paragraphen
über die Organisation der Stadtgemeinden.
3) Siehe LG. Art. 137—154.
4) Siehe LGO. Art. 138; vgl. auch Best a. a. O.
5) LGO. Art. 139.
6) LG. Art. 143 III.
7) LGO. Art. 146 I.