8 60 Die Staatsaufsicht über die Kreis= und Provinzialverbände. 145
d) Aufstellung von Grundsätzen über die Verwaltung des Provinzialvermögens und
der provinziellen Einrichtungen und Anstalten vorbehaltlich der Verwendung der vorhandenen
Fonds für die bestimmungsmäßigen Zwecke;
e) Vornahme der Wahlen zum Provinzialausschuß und zu den für Zwecke der all-
gemeinen Landesverwaltung angeordneten Kommissionen, sowie Bestellung besonderer Kom-
missionen und Kommissäre für Provinzialzwecke.
f) Gewährung von Beihilfen an überlastete Kreise.
Die Vorschriften über die Zusammenberufung des Provinzialtags und die Art und
Weise der Abhaltung der Provinzialtagsversammlungen decken sich im wesentlichen mit den
im vorigen Paragraphen behandelten entsprechenden Vorschriften für den Kreistag.
2. Der Provinzialausschuß, dessen Zusammensetzung oben in §& 36 erörtert
wurde, entspricht in seiner Stellung und seinen allgemeinen Funktionen durchaus dem Kreis-
ausschuß (s. § 58). Seine Geschäfte auf dem Gebiete der kommunalen Selbstverwaltung
nehmen bei dem fortwährenden Anwachsen der den Provinzen als wirtschaftlichen Verbänden
zufallenden Aufgaben an Zahl und Bedeutung ständig zu. Seine Einzelzuständigkeiten sind —
übertragen auf die Verhältnisse der Provinz — die gleichen wie diejenigen des Kreisausschusses
und bedürfen daher hier keiner gesonderten Darstellung 1).
3. Die Provinzialkommissionen korrespondieren in bezug auf Zusammen-
setzung und Stellung vollkommen mit den Kreiskommissionen, auf welche auch das Gesetz
ausdrücklich Bezug nimmt2).
4. Der Provinzialdirektors)leitet als Vorsitzender des Provinzialtags und
des Provinzialausschusses die Verwaltung des Provinzialverbandes. „Soweit seine Rechte.
und Pflichten nicht durch das gegenwärtige Gesetz abgeändert sind,“ sagt Art. 93 der Kreis-
ordnung vom 8. VII. 1911, „behält es bei den darüber bestehenden Vorschriften auch ferner
sein Bewenden.“ Als solche kommen namentlich die Bestimmungen der Edikte vom 6. VI.
1832 (J l. S. 365) und vom 12. XI. 1860 (RBl. S. 341) in Betracht, die sich allerdings nur
in einer einzigen Beziehung (Beaussichtigung bestimmter provinzieller Anstalten) auf Gegen-
stände der kommunalen Selbstverwaltung beziehen. Im übrigen korrespondieren Stellung
und Funktionen des Provinzialdirektors so vollkommen mit denjenigen des Kreisrats, daß auf
deren Darstellung in § 58 Bezug genommen werden kann.
#§ 60. Die Staatsaufsicht über die Kreis= und Provinzialverbände. I. Ebenso
wie die Ortsgemeinden unterstehen auch die Kreisgemeinden und die Provinzialverbände
einer gesetzlich genau geregelten Oberaussicht des Staates. Diese wird vorbehaltlich ausdrück-
licher anderweitiger Bestimmungen vom Ministerium des Innern geübt ") und erstreckt sich
nur auf die im Gesetz ausdrücklich genannten Angelegenheiten. Sie äußert sich einerseits darin,
daß bestimmte Beschlüsse der Selbstverwaltungskörper der Genehmigung bzw. Beanstandung
der Aussichtsorgane unterworfen sind, andererseits darin, daß die Organe jener Körperschaften
unter gewissen Voraussetzungen aufgelöst und daß ihre Beschlüsse durch entsprechende auf-
sichtliche Maßnahmen ersetzt werden können.
II. Im einzelnen äußert sich die staatliche Oberaufsicht in folgendem:
1. Kreistags- oder Provinzialtagsbeschlüsse bedürfen der Genehmigung des Ministeriums
des Innemn, sofern sie eine der nachgenannten Angelegenheiten betreffen?5:
a) Erlaß der Geschäftsordnung oder statutarischer Vorschriften;
b) Veräußerung von Grund= oder Kapitalvermögen, außer insoweit es sich um ersparte
Einkünfte aus den letzten fünf Jahren handelt;
c) Aufnahme von Anleihen, welche den Verband mit einem neuen Schuldenstand
belasten, sowie Ubernahme von Bürgschaften;
1) Siehe KO. Art. 80—91.
2) KO. Art. 92.
3) Siehe KO. Art. 93, 85, 86.
4) KO. Art. 92.
5) Siehe KO. Art. 94.
van Calker, Hessen. 10