Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

158 Die Gesetzgebung. g 64 
  
von demjenigen vorgenommen werden, der hierzu verfassungsmäßig befugt ist, das ist regel- 
mäßig der Landesherr oder das in dessen Auftrag oder Vertretung handelnde Staatsorgan 
(meistens das Staatsministerium oder der betreffende Ressortminister). Die Publikation ist 
ferner nur dann gültig, wenn sie in dem hierfür ordnungsmäßig bestimmten Verkündigungs- 
organ erfolgt, das ist seit 1. Juli 1819 das Großherzoglich Hessische Regierungsblatt 1). Das 
Inkrafttreten der in vorschriftsmäßiger Weise verkündeten Gesetze und Verordnungen erfolgt 
regelmäßig 14 Tage nach dem Erscheinen der betreffenden Nummer des Regierungsblattes, 
jedoch kann auch ein anderer Termin hierfür festgesetzt sein 2). 
III. Abweichungen vom normalen Gesetzgebungsver fahren. 
In der überwiegenden Zahl aller Fälle spielt sich das Gesetzgebungsverfahren in den 
unter II dieses Paragraphen geschilderten Formen ab. Indessen kommen teils hinsichtlich der 
Vorbereitung der Gesetzentwürfe, teils hinsichtlich deren Uberweisung an die Kammern, teils 
hinsichtlich der weiteren Behandlung der Entwürfe eine Reihe von Ausnahmen vor, welche zum 
Teil einer besonderen Erörterung bedürfen. 
1. Die meisten Besonderheiten gelten zufolge Art. 67 HV. in der Fassung vom 
3. Juni 1911 in bezug auf den Erlaß von Fin anzgesetzen. In dieser Richtung ist 
auf das unten in § 81 Gesagte zu verweisen. « 
2. Das Gesetz, die Ausführung des Art. 92 der Verfassungsurkunde hinsichtlich der größeren 
Werke der Gesetzgebung betreffend, vom 14. Juni 1836 (RBl. S. 305) 2) und das Gesetz gleichen 
Betreffs vom 10. Mai 1842 (RBl. S. 237) 4) enthalten Sonderbestimmungen über die Vor- 
bereitung der Beratung „größerer Werke der Gesetzgebung“. Die einschlägigen Vorschriften 
beziehen sich namentlich auf die Bildung und die Tätigkeit von Sonderausschüssen, welche 
vor dem Zusammentritt oder nach eingetretener Vertagung und Verabschiedung der Stände 
zu dem genannten Zwecke zu versammeln sind 5). 
3. In Abweichung von der Regel, daß zur Annahme eines Gesetzesentwurfs überein- 
stimmende Mehrheitsbeschlüsse beider Kammern erforderlich sind, stellt Art. 75 HV. in der 
Fassung des Gesetzes vom 3. Juni 1911 (RBl. S. 85) bezüglich der Art und Weise der Ab- 
stimmung eine für die Regierung sehr bedeutsame Sonderbestimmung auf. Die Anwendung 
dieser Sonderbestimmung ist an das Zusammentreffen folgender Voraussetzungen geknüpft : 
1) Siehe Min Bek. vom 14. VI. 1819 (Archiv d. Gr. Gesetze u. Verordnungen B. II S. 856). 
In der Zeit von 1808—1819 diente zufolge landesh. V O. v. 20. VI. 1808 (Archiv B. I, S. 230) 
als amtliches Verkündigungsorgan die Großherzogl. Hessische Zeitung; in der früheren Zeit 
erfolgte die Publikation der wichtigeren Verordnungen durch einzelne Druckblätter (s. hierüber 
und über die bestehenden Sammlungen Zentgraf S. 1). 
2) Die Bek. v. 14. VI. 1819 spricht nur von der Möglichkeit der Festsetzung eines früheren 
Zeitpunktes, jedoch kann selbstverständlich auch ein späterer Zeitpunkt bestimmt werden. So 
auch Küchler (Braun und Weber) I S. 104 und die feststehende Staatsvraxis. 
3) Bezüglich der Materialien zu diesem Gesetze s. LV. II 1836 Prot. B. 6 Prot. 109 
S. 12 ff. und zwar zu Art. 1 S. 13 ff., Art. 2 S. 20 ff., 32 ff., Art. 3 u. 4. S. 28 ff., Art. 5 S. 41ff., 
Art. 6 u. 7. S. 48 ff., Art. 8—11 S. 57 ff.; vgl. auch L V. II 1851/55 Beil. B. 14 Beil. 882 
S. 6 und Beil. 883 S. 7. 
4) Siehe die Materialien LV. II 1841, Prot. B. 1, Prot. 6 S. 2, Prot. 29 S. 1; Beil. B. 1 
Nr. 19 u. 20, B. 2 Nr. 130 (Ausschußbericht v. Grolman), Prot. B. 2 Prot. 35 S. 1—35, 
Prot. 36 S. 2, Prot. 44 S. 1, Prot. 45 S. 1. 
5) Ein von der Großh. Regierung auf dem 33. Landtag im Interesse einer rascheren, gedeih- 
lichen Erledigung des damals schwebenden Verfassungswerkes angestellter Versuch, die einschlägige 
Vorlage nach Maßgabe des Gesetzes vom 14. VI. 1836 behandeln zu lassen, scheiterte an dem 
Widerspruch der Landstände. S. besonders L V. II 1905/7, Drucks. 505 u. 521, Prot. 61. 
6) Der Art. 75 HV. bildete auch schon in seiner früheren Fassung eine Singularität des 
hessischen Staatsrechts, von der indessen nur ein einziges Mal (auf dem 11. Landtag im Jahre 
1876 gelegentlich der Wiedervorlage der Strafprozeßordnung vom 13. IX. 1866) praktischer 
Gebrauch gemacht wurde. Vgl. hierzu die anonyme Broschüre „Das suspensive Veto der hessischen 
Landstände. Eine rechtsgeschichtliche Darlegung der Entstehung usw. der Artikel 75 und 91 der 
hess. Verf.“", Mainz 1874. Bezüglich der Neuformulierung v. J. 1911 s. besonders L V. 1908/11, 
II. K. Drucks. 175 (Reg. Vorl.), 248, 311 u. 439, 586 (Ausschber. von Brentano), Prot. 2, 3. 
33 39, 41 bis 43, 65, 66; 1. K. Beil. 9, 79 134 (Ausschußberichte Schmidt) u. Prot. 12.
	        
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