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denselben Gegenstand betreffende, eine Strafandrohung enthaltende gesetzliche oder verordnungs-
mäßige Bestimmung besteht, Geldstrafe bis zu 30 Mk. angedroht werden; gegebenenfalls hat
die Strafandrohung in einer Verweisung auf die Strafandrohung einer anderweitigen gesetz-
mäßigen Vorschrift zu bestehen 1).
Die Verkündigung der Polizeiverordnung hat in dem Kreisblatt zu erfolgen
(KPO. Art. 64).
. b) Ein außerordentliches Polizeiverordnungsrecht (Not-
verordnungsrecht). „Für den Fall außerordentlicher Vorkommnisse, welche die
Sicherheit der Personen oder des Eigentums bedrohen, ist, wenn augenscheinliche Gefahr
auf dem Verzuge steht, der Kreisrat . 2) befugt, vorübergehende Anordnungen unter An-
drohung einer polizeilichen Geldstrafe 3) bis zu 90 Mk. zu treffen.“ „Solche Anordnungen
verlieren nach Ablauf von längstens vier Wochen ihre Wirksamkeit. Dauert der Grund zu einer
solchen Anordnung fort, so kann eine Erneuerung derselben nur durch das Ministerium des
Innern verfügt werden“ (Art. 65).
Die Notverordnungen, zu deren Erlaß der Kreisrat nach vorstehenden Bestimmungen
befugt ist, unterscheiden sich von den einfachen Polizeiverordnungen des Art. 64: a) durch
die Notwendigkeit des Vorhandenseins der in Art. 65 genannten besonderen materiellen
Voraussetzungen („Außerordentliches Vorkommnis“, „Bedrohung der Sicherheit der Per-
sonen oder des Eigentums“, „Gefahr auf Verzug“);
durch den Wegfall der in Art. 64 vorgeschriebenen formellen Voraussetzungen (wie
ministerielle Genehmigung usw); ?)) durch die Zulässigkeit einer höheren Strafandrohung;
0) durch ihr automatisches Unwirksamwerden nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist.
5. Während die Bürgermeister der Landgemeinden niemals ein Polizeiverordnungs-
recht besaßen, wurde den Stadtbürgermeistern dieses Recht nach Analogie der
für die Kreisräte bestehenden Bestimmungen schon durch die Städteordnung von 1874 (Art. 56
Ziff. 1 und 2) zuerkannt; die Städteordnung von 1911 hat die einschlägigen Vorschriften un-
verändert übernommen (Art. 129b Abs. 2 Ziff. 1 und 2)4).
Der Stadtbürgermeister beziehungsweise der an dessen Stelle mit
Handhabung der Lokalpolizei betraute besondere Großherzog-
liche Beamte hat demgemäß ebenso wie der Kreisrat
a) ein reguläres oder ordentliches Polizeiverordnungsrecht.
Hiernach ist er befugt „Gebote und Verbote für örtliche Interessen (Lokalpolizeireglements)
nach Anhörung der Stadtverordnetenversammlung, ohne indessen an deren Zustimmung ge-
bunden zu sein, zu erlassen" 5) und gegen deren Verletzung vorbehaltlich des Bestehens ander-
keit der Strafandrohung an sich ergibt sich schon aus dem Begriffe der Polizeiverordnung
(vgl. z. B. Rosin in v. Stengel, WB., II S. 279).
45 Siehe namentlich die delegierenden Bestimmungen des RöStG#B., wie z. B. #s 366
Z. 1, 368 3. 1, 2 usw.
2) Die von mir hier weggelassenen Worte „auch ferner“ bedeuten eine Bezugnahme auf
das frühere Recht, welches in dem Organisationsedikt vom 6. VI. 1832 (RBl. S. 365) Art. 16
Z. 24 und in der Kreisratsinstruktion vom 30. IX. 1832 (RBl. S. 609) 5 12 ein ähnliches Not-
verordnungsrecht der Kreisräte statuiert hatte.
3) Die Geldstrafe hat einen „polizeilichen“ Charakter nur insofern, als sie auf einer Polizei-
verordnung beruht. Die Verhängung der Strafe erfolgt hier ebenso wie bei der Aburteilung
von gewöhnlichen Polizeiverordnungen nicht durch die Polizeibehörde, sondern durch das Gericht.
4) Vgl. hierzu Gesetz zur Anderung des Art. 56 des Gesetzes, die Städteordnung betreffend,
vom 13. Juni 1874. Vom 8. Juli 1911 (RBl. S. 322). Der Art. 56 wurde durch dieses Gesetz
zunächst in einzelnen Richtungen geändert, um dann in dieser abgeänderten Form durch „Gesetz,
die Städteordnung betreffend“ vom gleichen Tage (RBl. S. 367) unter der Bezeichnung „Art. 129b“
(Artikel 56 der Städteordnung vom 13. Juni 1874 in der Fassung des Gesetzes, die Anderung
des Artikels 56 der Städteordnung betr., vom 8. Juli 1911) in die neue Städteordnung auf-
genommen zu werden. Art. 233 Z. 1 litt. a dieses Gesetzes bestimmt dann, daß die alte Städte-
ordnung „mit Ausnahme der Artikel 55—57“ aufgehoben sei.
5) Diese sog. Lokalpolizeireglements erfüllen nach Inhalt und Form alle Voraussetzungen
der Polizeiverordnungen, sie werden aber in der Gesetzessprache und in der Praxis bisher nur
vereinzelt als Polizeiverordnungen bezeichnet. Vgl. z. B. „Polizeiverordnung“ für die Stadt