172 Die Verfahrensvorschriften. l67
Dritter Teil.
Die Verwaltung.
Erster Abschnitt.
Die Verfahrensvorschriften.
s 67. Das Beschlußverfahren. I. Der großen Mannigfaltigkeit der staatlichen Ver-
waltungsaufgaben entsprechend vollzieht sich die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden unter
den verschiedenartigsten Formen. Diese Formen sind zum Teil dem freien Ermessen der Ver-
waltungsbehörden anheimgegeben, zum Teil sind sie durch Gesetz und Verwaltungsvorschriften
— teils reichsrechtlicher, teils landesrechtlicher Natur — bis ins einzelne oder doch in den
Grundzügen bestimmt. Besondere gesetzliche Verfahrensvorschriften bestehen namentlich für
das Verwaltungsstreitverfahren (s. § 40), für das staatsaufsichtliche Verfahren (s. 88 57, 60),
für die Anwendung von Polizeizwang (s. § 86) und für einzelne besonders wichtige oder technisch
schwierigere Verwaltungsakte, wie Enteignung, Feldbereinigung, Ablösungsverfahren, Ver-
fahren in bergrechtlichen Angelegenheiten, Zwangsvollstreckung in Verwaltungsangelegenheiten
usw.1). Im übrigen ist das Verfahren der staatlichen Verwaltungsbehörden in Hessen im
allgemeinen an keine bestimmten Formen gebunden.
II. Einzelne Sondervorschriften gelten für die Behandlung der sog. Verwaltungs-
beschlußsachen, das sind diejenigen Angelegenheiten, welche von den Kreis= und
Provinzialausschüssen sei es zufolge ausdrücklicher, gesetzlicher oder gesetzmäßiger
staatlicher Ubertragung, in ihrer Eigenschaft als staatliche Verwaltungsbehörden, sei es auf
Grund ihrer allgemeinen gesetzlichen Zuständigkeit als Selbstverwaltungsorgane in dieser
letzteren Eigenschaft, zu erledigen sind 2).
Das sog. Beschlußverfahren findet vor dem Kreisausschuß in den Angelegen-
heiten der Art. 47 und Art. 48 Abs. II bis V, vor dem Provinzialausschuß in den Angelegen-
heiten der Art. 83 und Art. 84 Abs. II Anwendung 2). Die Vorbereitung und Leitung des
Verfahrens obliegt dem Kreisrat bzw. dem Provinzialdirektor. Zur Vorbereitung der Beschlüsse
kann der Kreisrat bzw. der Provinzialdirektor die notwendigen vorläufigen Erhebungen vor-
nehmen und zu diesem Zwecke die Beteiligten, sowie Auskunftspersonen, Zeugen und Sach-
verständige vernehmen; auf den Beweis durch Zeugen oder Sachverständige finden die Vor-
schriften der Art. 57—59 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 8. Juli 1911 Anwendung.
In unaufschiebbaren Fällen kann der Kreisrat bzw. Provinzialdirektor, soweit andere Gesetze
dies nicht ausschließen, vorbehaltlich der alsbaldigen Prüfung und Genehmigung von seiten
des Ausschusses vorläufige Verfügungen erlassen (Art. 52, 53, 86, 89). Die zur Erledigung
von Beschlußsachen dienenden Ausschußsitzungen sind nicht öffentlich (Art. 54, 57). Bei allen
1) Siehe auch bezüglich der besonderen Grundsätze über die sog. Amtshilfe den Artikel
von Glässing i. W. I S. 123.
2) Vgl. die inhaltlich alsscharige Definition der Verwaltungsbeschlußsachen LV. II 1908/11
Drucks. 558 (Regierungsvorlage betr. Abänderung der KPO.) S. 14.
3) Nach den Motiven fallen die den Kreistagen und Irchinntitagen übertragenen An-
gelegenheiten nicht unter den Begriff der „Verwaltungsbeschlußsachen“; auch ist das Ver-
fahren dieser Körperschaften nicht als „Beschiußverfahren“ im Sinne der Art. 49, 89 KPO.
anzusehen. Gleichwohl wird in Art. 100 KP O. das in den Art. 30—39 und 73—78 besonders
geregelte Verfahren dieser Körvperschaften ebenfalls als „Beschlußverfahren“ bezeichnet.