Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

867 Das Beschlußverfahren. 173 
  
  
im Beschlußverfahren zu erlassenden Entscheidungen ist die Anwesenheit von mindestens fünf 
Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden für die Beschlußfähigkeit erforderlich (Art. 55 II, 
87 II). Die Heranziehung der Ausschußmitglieder und erforderlichenfalls der Ersatzmänner 
zu den Sitzungen erfolgt mittels schriftlicher Ladung; die Mitglieder sollen möglichst gleich- 
mäßig herangezogen werden 1) (Art. 55 III, 87 III). Unter bestimmten Voraussetzungen, 
z. B. bei naher Verwandtschaft mit Beteiligten, sind einzelne Ausschußmitglieder wegen der 
Möglichkeit der Befangenheit von der Teilnahme an der Beratung und Beschlußfassung gesetz- 
lich ausgeschlossen (Art. 56, 88). Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt; im 
Falle der Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden (Art. 55 IV, 87 IV). 
Über jede Ausschußsitzung ist von einem vereidigten Protokollführer ein Protokoll aufzunehmen. 
welches die wesentlichen Vorgänge zu enthalten hat und von dem Vorsitzenden und dem 
Protokollführer zu unterzeichnen ist (Art. 57, 89). Gebühren werden auch für die Ver- 
handlung solcher Sachen nicht erhoben, welche private Interessen berühren, wie z. B. Gewerbe- 
konzessionssachen; Auslagen, deren Rückersatz von Privatpersonen beansprucht werden könnte, 
werden im Beschlußverfahren nur ausnahmsweise entstehen 2). 
Die im Beschlußverfahren ergehenden Entschließungen der Kreis- und Provinzial- 
ausschüsse sind nur insoweit anfechtbar, als dies durch Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (Art. 49, 89). 
In den meisten Fällen ist eine Anfechtung nicht statthaft. In einzelnen Fällen ist jedoch eine 
solche Entscheidung im Wege der Klage oder mit dem Rechtsmittel der Berufung im 
Verwaltungsstreitver fahren anfechtbar (vgl. LGO. 78, 112, 113; KPO. 58). 
Ferner ist ausnahmsweise das Rechtsmittel der „Beschwerde" zugelassen (KPO. 100). 
Letzteres ist insoweit der Fall, als in anderen Gesetzen — außerhalb der KPO. und außer- 
halb des Verwaltungsstreitverfahrens — „im Beschlußverfahren ergangene Entscheidungen 
der Kreistage und Provinzialtage 3), der Kreisausschüsse und Provinzialausschüsse mit 
einem Rechtsmittel anfechtbar sind.“ Für diese auf Spezialgesetzen beruhenden Ausnahme- 
fälle bleiben zufolge KPO. 100 die spezialgesetzlichen Vorschriften über die Rechtsmittel- 
fristen und den Instanzenzug mit der Maßgabe aufrecht erhalten, daß die sog. „Beschwerde“ 
(gleichgültig, welchen Namen das Rechtsmittel bisher trug) nur auf neue Tatsachen und 
Beweise gestützt werden kann, und daß sie vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Vorschriften 
binnen zwei Wochen vom Ablauf des Zustellungstages ab bei dem Vorsitzenden derjenigen 
Verwaltungskörperschaft einzulegen ist, von der die angefochtene Entscheidung ausging #). 
II. Besondere Grundsätze gelten gemäß Art. 58 KPO. bezüglich der Uberleitung 
bestimmter Verwaltungssachen aus dem Beschlußverfahren in 
das Verwaltungsstreitverfahren: Verwaltungssachen, welche nach gesetzlicher 
Vorschrift von den Kreisausschüssen oder Provinzialausschüssen sowohl im Beschlußverfahren, 
wie im Verwaltungsstreitverfahren behandelt werden dürfen 5), können im Falle ihrer Be- 
handlung im Beschlußverfahren von dem Kreisrat bzw. Provinzialdirektor im öffent- 
lichen Interesse zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstreitverfahren 
gebracht werden. Das gleiche hat zu geschehen, wenn ein Beteiligter dies beantragt. Der Antrag 
auf mündliche Verhandlung kann vor Erlaß der das Beschlußverfahren abschließenden Ent- 
scheidung oder innerhalb einer Notfrist von 14 Tagen nach Zustellung der letzteren gestellt 
1) Es steht dem Vorsitzenden selbstverständlich frei, sämtliche Mitglieder zur Sitzung heran- 
zuziehen, falls er dies wegen der Wichtigkeit der Verhandlungsgegenstände fur wünschenswert 
hält (s. Motive bei Best, KPO., S. 28). 
2) Vgl. Motive in Drucks. 558 S. 25 f.; in berichtigter Form abgedruckt bei Best, KPO., 
30 
3) Vgl. hierzu S. 172 Anm. 2. 
4) Beispiele — namentlich aus dem Kunststraßengesetz — s. bei Best, KPO., S. 49. 
5) Hierbei handelt es sich in der Hauptsache um gewerbepolizeiliche Genehmigungen, die 
der Kreisausschuß oder der Provinzialausschuß nach der Reichsgewerbeordnung und den ein- 
schlägigen Vollzugsvorschriften zu erteilen hat. Vgl. hierzu LV. II 1908/I1, Druckf. 558 (Entn 
der KPO.) S. 9P zu Art. 69 a, sowie S. 19, 22 („zu 13“) u. 25; ferner Best, KPO., 21 
u. 29, sowie Best, VR., S. 34. — Bezüglich der grundsählichen 1bgrenzung von 51 
waltungsbeschlußsachen und Verwaltungsstreitsachen s. auch oben I# 37, ·
	        
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