174 Die Verfahrensvorschriften. g 68
werden. Die Beteiligten haben jedoch die Wahl, anstatt der Stellung dieses Antrages, inner-
halb der durch Art. 77 Abs. 1 VRG. bestimmten Frist das Rechtsmittel der Berufung gegen
die das Beschlußverfahren abschließende Entscheidung einzulegen. Falls einer der Beteiligten
mündliche Verhandlung beantragt, ein anderer Berufung eingelegt hat, wird nur dem
ersten Antrag stattgegeben. Wird weder ein Rechtsmittel verfolgt, noch mündliche Ver-
handlung beantragt, so ist die im Beschlußverfahren ergangene Entscheidung endgültig.
§568. Zwangsmaßnahmen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte.
I. Die Zwangsvollstreckung im Verwaltungswege ist durch Gesetz vom
30. September 1893 (RBl. S. 265) einheitlich geregelt 1) und findet auf die Beitreibung aller
öffentlichrechtlichen:) Geldforderungen Anwendung, welche diesem Verfahren durch
Gesetz überwiesen werden. Hierher gehören namentlich Steuern, Zölle und sonstige Abgaben
des Reiches, der Einzelstaaten und der politischen und kirchlichen Gemeinden sowie der israeli-
tischen Religionsgemeinden; die Beiträge zur Arbeiterversicherung: Geldstrafen in Forst= und
Feldrügesachen; Gewerbegerichtskosten; Geldforderungen aus Entscheidungen, Beschlüssen,
Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungs= und Finanzbehörden (Ges. Art. 1). Über
die Verbindlichkeit zur Entrichtung der geforderten Geldbeträge entscheiden die nach den be-
treffenden Gesetzen zur Feststellung berufenen Behörden und Instanzen, und zwar — soweit
dies gesetzlich vorgesehen ist — unter Vorbehalt des Rechtswegs. Die Vollstreckbarerklärungen,
Beschlüsse und Verfügungen dieser Organe bilden die gesetzliche Grundlage der Zwangsvoll=
streckung (Ges. Art. 4; Vollz V. § 7). Wegen vermeintlicher Mängel des Zwangsverfahrens
ist Beschwerde bei der vorgesetzten Behörde (ohne aufschiebende Wirkung) zulässig.
Zur Anordnung und Leitung des Zwangsverfahrens zur Beitreibung von Reichs- und
Staatsgefällen sind als Vollstreckungsbehörden in der Regel diejenigen Behörden
zuständig, welchen die Einziehung der betreffenden Geldbeträge zusteht 3). Als Voll-
ziehungsbeamte fungieren regelmäßig die den betreffenden Behörden beigegebenen
Exekutivbeamten; jedoch kann die Ausführung einer Zwangsvollstreckung auch einem Gerichts-
vollzieher übertragen werden.
Das Verfahren iichtet sich im allgemeinen nach den entsprechenden Vorschriften
der Zivilprozeßordnung, beziehungsweise nach denjenigen des Ausführungsgesetzes zur Zivil-
prozeßordnung und Konkursordnung. Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen
bedarf der Genehmigung des der Vollstreckungsbehörde vorgesetzten Ministeriums; diese Ge-
nehmigung soll erst erteilt werden, wenn feststeht, daß durch Zwangsvollstreckung in das
bewegliche Vermögen die Beitreibung nicht oder nicht vollständig erfolgen kann. — Der Arrest
zugunsten einer im Verwaltungszwangsverfahren beizutreibenden Forderung kann nur ein
dinglicher sein und findet zur Sicherung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen statt
(Ges. Art. 3—0).
II. Die Zwangsvollstreckung von verwaltungsgerichtlichen
Entscheidungen ist durch das VRRG. vom 8. Juli 1912 Art. 123—130 einheitlich
geregelt.
Die Vollstreckung obliegt dem Vorsitzenden desjenigen Gerichts, das in erster Instanz
entschieden hat; war dies der Provinzialausschuß, so kann dessen Vorsitzender mit der Voll-
streckung den Vorsitzenden des Kreisausschusses beauftragen. Für eine Vollstreckung, die dem
Vorsitzenden des Verwaltungsgerichtshofs obliegt, kann das zuständige Ministerium abweichende
Anordnungen treffen. Die Vollstreckung erstreckt sich auch auf solche Ansprüche, die nach der
1) Vgl. hierzu Vollzugsverordnung v. 7. III. 1894 (RBl. S. 63) abg. durch VO. v. 18.
VI. 1898 (RBl. S. 351), und Dienstvorschrift v. 10. IV. 1894 (RBl. S. 129) abg. durch Bek. v.
14. IV. 1896 (NBl. S. 53 ff.).
2) Für privatrechtliche Geldforderungen ist das geschilderte Verfahren nur insofern zu-
gelassen, als es sich hierbei um Gemeindeforderungen handelt; auch hier ist das Verwaltungs-
verfahren jedoch einzustellen, sobald der Schuldner bei dem Bürgermeister hiergegen Einwand
erhebt (Art. 3; vgl. Cosack S. 57).
3) So z. B. Bezirkskassen, Hauptsteuerämter, Kreisämter, Provinzialdirektionen, Stadt-
bürgermeister.