188 Die Finanzverwaltung. Die staatliche Finanzverwaltung. 8 74
die Veranlagung jedoch um eine oder zwei Klassen niedriger zu erfolgen, „wenn auf die
Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ungünstig einwirkende Verhältnisse 1) zu besonderer
Berücksichtigung Anlaß geben.“ (Art. 14.)
3. Die Verletzung der in bezug auf die Steuerdeklaration bestehenden gesetzlichen Pflichten
ist mit Geldstrafe bis zum 20fachen Betrage der Jahressteuer bedroht. Die unabhängig
hiervon bestehende Verpflichtung zur Nachzahlung eines der Staatskasse entzogenen
Steuerbetrags obliegt, soweit nicht inzwischen Verjährung des Nachzahlungsanspruchs ein-
getreten ist, nicht nur dem Steuerpflichtigen, sondern sie geht auch auf die Erben über, und
zwar — bei absichtlicher Hinterziehung — in doppeltem Betrage (Art. 39—45).
B. Für die Steuerpflichtigen zweiter Abteilung:). 1. Jeder in
der zweiten Abteilung Steuerpflichtige wird nach seinem mutmaßlichen, unter Beachtung
bestimmter gesetzlicher Grundsätze zu schätzenden Gesamteinkommen, zugleich aber auch mit
Rücksichtnahme auf etwaige seine Leistungsfähigkeit mindernde Umstände, z der seinem wirk-
lichen Einkommen entsprechenden Einkommens- und Steuerklasse — eventuell um eine oder
zwei Klassen niedriger — eingeschätzt. Die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung
besteht nur im Falle besonderer Aufforderung. Die Einschätzung ist Sache einer unter der
Leitung des zuständigen Steuerkommissärs stehenden, von dem Gemeindevorstand auf je
drei Jahre gewählten örtlichen Kommission. Dieser Kommission muß neben dem
Bürgermeister wenigstens ein Gemeindevorstandsmitglied angehören; jedoch dürfen nicht
mehr als zwei Dritteile ihrer Mitglieder — deren Anzahl vom Finanzministerium bestimmt
wird — Gemeindevorstandsmitglieder sein. Im Interesse der gleichmäßigen Ausführung
der Steuerveranlagung können die Ergebnisse der Einschätzung auf Antrag des Kommissions-
vorsitzenden von dem Finan zministerium, Abteilung für Steuerfsachen,
einer Revision“, d. h. einer allgemeinen Nachprüfung, unterzogen und entsprechend
berichtigt werden (Art. 48, 49).
In einzelnen Fällen zu geringer Einschätzung hat der Vorsitzende der Veranlagungs-
kommission das Rechtsmittel der Berufung an die Veranlagungskommission
der ersten Abteilung. Das gleiche Rechtsmittel steht binnen einer zweimonatigen
Frist (vom Beginn des Steuerjahres bzw. von der Eröffnung der Einschätzung an gerechnet)
dem Steuerpflichtigen zu. Gegen die Entscheidung der Veranlagungskommission der ersten
Abteilung gewährt das Gesetz den Vorgenannten während einer Ausschlußfrist von vier Wochen
das Recht der weiteren Berufung an die Landeskommission. Letztere
Kommission bildet für derartige Entscheidungen aus ihrer Mitte einen engeren Aus-
schuß von drei Mitgliedern, die aus den drei Provinzen zu entnehmen sind und unter dem
Vorsitz des vom Finanzministerium ermannten Kommissionsvorsitzenden stehen (Art. 49, 50).
Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zugelassen s).
2. Als Maßstab für die klassenweise Einschätzung der Steuerpflichtigen zweiter Abteilung
dienen die in Art. 48 des Gesetzes verzeichneten Einkommens- und Steuerklassen, wobei in-
dessen die besondere Festsetzung der Steuerbeträge im Finanzgesetz vorbehalten bleibt. Von
den gesetzlich statuierten zehn Klassen umfaßt die erste die Einkommen von 500 bis ausschließ-
lich 600 Mk., die zweite diejenigen von 600 bis ausschließlich 750 Mk., die dritte die von 750
bis 900 Mk.; von der vierten bis zur siebenten Klasse bedingen je 200 Mk., von der achten
bis zur zehnten Klasse je 300 Mk. Mehreinkommen das Aussteigen in eine höhere Steuer-
klasse. Die gesetzlichen Steuersätze steigen von 3 Mk. in der ersten Klasse bis auf 39 Mk. in der
zehnten Klasse, können aber durch das Finanzgesetz eine dem Steuerbedürfnis entsprechende
Veränderung erfahren ).
1) Als solche kommen besonders in Betracht: Große Kinderzahl, länger andauernde Krank-
heit, Unterstützung von Verwandten, drückende # außergewöhnliche Unglücksfälle
(s. Hessisches Bürgerbuch Darmstadt (Staatsverlag) 1909, ).
2) Siehe Gesetz Art. 48—52, „Anweisung “
3) Dies ergibt sich aus Art.
4) So beträgt z. B. nach dan Finanzgesetz für 1911 der Jahressteuerbetrag der ersten
Klasse 3,45 Mk., der der zehnten Klasse 44,85 Mk.