196 Die Finanzverwaltung. Die staatliche Finanzverwaltung. *80
sich ausschließlich auf den Einnahmeetat, und zwar nur auf denjenigen Teil des Ein-
nahmeetats bezieht, der aus der Besteuerung herrührt 1). Wenn in dem Finanzgesetze
(§5 21—25) selbst gleichwohl nicht nur von den Steuern, sondern im Schlußparagraphen
auch noch von den Ausgaben die Rede ist („Sämtliche Staats-Einkünfte sollen auf die
verschiedenen Hauptverwaltungszweige so verwendet werden, wie die Bedürfnisse derselben
von den Landständen bewilligt sind“ usw.), so hat dies nicht die Bedeutung, als ob die Ausgaben
in gleicher Weise wie die Steuern der Zustimmung der Stände unterstünden. Bemerkens-
werterweise heißt es an den einschlägigen Stellen nicht etwa, daß Ausgaben in der und
der Höhe bewilligt seien, sondern es ist nur davon die Rede, daß „Bedürfnisse' bewilligt
werden, das heißt mit anderen Worten, daß Bedürfnisse als vorhanden und demnach
als deckungsbedürftig anerkannt worden seien.
Die späteren Finanzgesetze zeigen allerdings in der Fassung der Einleitungsworte einige
Wandlungen. So lautet z. B. die Einleitungsformel des Finanzgesetzes für die Jahre 1824,
1825, 1826 (RBl. 1824 S. 60) und ebenso diejenige des Finanzgesetzes für die Jahre 1827,
1828 und 1829 (RBl. 1827 S. 169): „Nachdem Wir über die Art und Weise, wie die im Wege
der Besteuerung zu deckenden Summen aufgebracht werden sollen ..# und über deren
Verwendung übereingekommen sind, so verordnen Wir: usw. . ..“ In den Worten:
„über deren Verwendung“ liegt scheinbar das Zugeständnis eines ständischen Ausgabe-
bewilligungsrechts. Dieses scheinbare Zugeständnis wird aber sofort wieder paralysiert durch
den Schlußparagraphen des Finanzgesetzes, in dem es heißt: „Sämtliche Staatseinkünfte
sollen auf die verschiedenen Verwaltungszweige im ganzen so verwendet werden, wie die
Bedürfnisse derselben von den Landständen bewilligt worden sind“ usw. Die in dem authen-
tischen Abdruck des Finanzgesetzes im Regierungsblatt (1827 S. 172) durch den Druck ausdrück-
lich hervorgehobenen Worte „um ganzen“ lassen keinen Zweifel darüber, daß die Bindung
der Regierung in bezug auf die Ausgaben eine andere sein sollte als die Bindung
in bezug auf die Steuereinnahmen?).
Die Einleitungsworte und der Inhalt der Finanzgesetze aus den Jahren 1830 (Jl.
S. 361) 1836 RBl. S. 337), 1839 (#il. S. 315), 1842 (Röl. S. 325), 1845 (RBl. S. 292),
1852 (RBl. S. 601), 1854 (RBl. S. 355), 1857 (RBl. S. 369), 1860 (RBl. S. 353), be-
stätigen trotz mancher Unterschiede im einzelnen 3), in der Hauptsache das oben Gesagte. Zwar
fehlt in den Finanzgesetzen von 1836 ff. auf Grund einer mit dem Landtage getroffenen
Vereinbarung der soeben erwähnte Zusatz „im ganzen“"), jedoch kann aus dieser Weglassung
nicht der Schluß gezogen werden, daß den Ständen hiermit die Bewilligung der Staats-
ausgaben schlechthin hätte zugestanden werden wollen 5). Wie wenig an ein solches Zuge-
ständnis gedacht wurde, zeigt beispielsweise die Tatsache, daß die Regierung in dem Landtags-
1) Eine Bestätigung dafür, daß die Formulierung der Eingangsworte des Finanzgesetzes
in der ganz bestimmten Absicht erfolgte, durch die Fassung dieser Worte die Art der Mitwirkung
der Stände bei dem Erlaß des Finanzgesetzes zu kennzeichnen, liefert der Vergleich mit dem,
dem gleichen Zwecke dienenden Wortlaut des Eingangs der Finanzgesetze von Bayern und
Baden (vgl. van Calker, Bad. Budgetrecht 1 S. 6 und 89).
In Bayern lautet die stereotype Formel: „Wir usw., haben mit dem Beirate und
— soviel die Erhebung der direkten, Veränderung der indirekten Steuern, dann der Aufnahme
von Anleihen betrifft — mit Zustimmung. der Stände über die Staatseinnahmen
und Staatsausgaben beschlossen und verordnen wie folgt ..“ In Baden lautete die
ursprüngliche, später allerdings wieder aufsgegebene Formel: „Wir## haben über die ordent-
lichen Ausgaben für die nächste Budgetperiode und über die Mittel und Wege zu deren Deckung,
nach Anhörung Unseres Staatsministeriums, und, soweit die Deckung durch Auflagen geschehen
muß, unter Zustimmung Unserer getreuen Stände beschlossen, und beschließen hiermit, wie folgt.
2) Vgl. hierzu auch die Landtagsabschiede vom 25. VI. 1827 RBl. S. 145 ff. § 19, und vom
1. November 1830 Rl. S. 377 ff. § 25.
3) So ist z. B. in dem Finanzgesetz von 1857 und in manchen früheren Finanzgesetzen
in den Einleitungsworten die Rede von einer Ubereinkunft in bezug auf die „auf dem Wege der
Besteuerung und der Benützung des Staatskredits außubrinzenden Summen".
4) Siehe hierüber Landtagsabschied von 1836, RBl. S. 345 ff. f. 4
5) Vgl. hierzu v. Weech, Korrespondenzen u. Altenstücke z. Geschichte d. Mininerkonferenzen
von Karlsbad u. Wien i. d. J. 1819, 1820 u. 1834, Leipzig 1865, besonders S. 168 lit. g.