8 80 Die Grundlagen des Budgetrechts. 197
abschied von 1836 (RBl. S. 354 f8 39) ausdrücklich erklärt, sie könne für den Eintritt gewisser
vom Landtage beschlossener Ausgabeminderungen keine Verbindlichkeit übernehmen. Im
übrigen läßt auch die Fassung der Landtagsabschiede und der Finanzgesetze deutlich das Be-
streben der Regierung erkennen, den Ausdruck „Ausgabebewilligung“ zu vermeiden; der
amtliche Sprochgebrauch kennt nur „Bewilligung zum Behufe der gesamten Staatsausgaben“1)
oder, wie schon oben erwähnt, „Bewilligung von Staatsbedürfnissen"“. Seit dem Finanz-
gesetze von 1852 wurde der oben erörterte, seit 1827 übliche Zusatz „und über deren Ver-
wendung“ in den Einleitungsworten der Finanzgesetze wieder weggelassen. Daher hat auch
der seit 1821 2) beinahe wörtlich gleichbleibende stereotype Passus der Finanzgesetze: „sämt-
liche Staatsausgaben sollen auf die verschiedenen Verwaltungszweige so verwendet werden,
wie die Bedürfnisse derselben von Unsern getreuen Ständen bewilligt worden sind“, zweifel-
los nicht die Bedeutung der Anerkennung eines verfassungsmäßigen Ausgabebewilligungs-
rechts der Stände. Er bedeutet vielmehr lediglich ein nach erfolgter Steuerbewilligung in
der feierlichen Form des Gesetzes abgegebenes Versprechen der Regierung, die Staatseinnahmen
zur Bestreitung derjenigen Bedürfnisse verwenden zu wollen, deren Vorhandensein die Stände
zur Steuerbewilligung veranlaßt hatte.
Das gleiche Bild wie die vorgenannten Finanzgesetze zeigen die Finanzgesetze aus den
Jahren 1864 (RBl. S. 365), 1867 (RBl. S. 433), 1869 (RBl. S. 657), 1872 (NBl. S. 97),
1873 (RBl. S. 315), 1876 (RBl. S. 655), 1879 (RBl. S. 71), 1882 (RBl. S. 109), 1885
(RBl. S. 63), 1888 (RBl. S. 27), 1891 (RBl. S. 53). Dabei mag erwähnt werden, daß
das Finanzgesetz von 1876 das erste hessische Finanzgesetz ist, welches in den die Ausgaben
betreffenden Schlußbestimmungen ausdrücklich auf die Beilage des Finanzgesetzes Bezug
nimmt 5).
Eine auffällige Anderung der Einleitungsformel tritt mit dem Finanzgesetz von 1894
(RBl. S. 221) ein. Während das Finanzgesetz von 1891, ebenso wie seine Vorgänger, das Uber-
einkommen des Landesherrn mit den Ständen noch ausschließlich auf die „auf dem Wege
der Besteuerung“ zu deckenden Summen bezieht, heißt es in der Einleitung zu dem
Gesetz von 1894 schlechthin: „Nachdem Wir mit Unseren getreuen Ständen über die Art und
Weise übereingekommen sind, wie die zur Bestreitung der Staatsausgaben in den Jahren.
1894/95, 1895/96 und 1896/97 nötigen Summen aufgebracht werden sollen.“
Diese neue Formulierung der Einleitung des Finanzgesetzes ist seit dem Jahre 1894,
von geringen Abweichungen abgesehen, unverändert beibehalten worden. Vgl. Finanzgesetze
von 1898 (RBl. S. 267), 1901 (RBl. S. 827), 1902 (RBl. S. 83), 1903 (RBl. S. 195),
1904 (NRBl. S. 90), 1905 (RBl. S. 115), 1906 (RBl. S. 83), 1907 (RBl. S. 223), 1908
(RBl. S. 69), 1909 (RBl. S. 61), 1910 (RBl. S. 31), 1911 (RBl. S. 35), 1912 (Nl.
S. 195).
Hand in Hand mit dieser Anderung der Einleitungsformel geht eine Anderung
des Inhalts des Finanzgesetzes, insofern, als dasselbe an Stelle der bisher üblichen drei
Abschnitte „I. direkte Steuer, II. indirekte Auflagen, III. Ausgaben“ seit dem Jahre 1894
regelmäßig vier Abschnitte: „I. Wie o., II. Wie o., III. Außerordentliche Deckungsmittel,
IV. Ausgaben“ enthält.
Die geschilderte Abänderung der Einleitungsformel und des Inhalts des Finanzgesetzes
ist selbstverständlich kein bloßer Zufall. Es erübrigt sich jedoch hier, den Gründen dieser Ande-
rung nachzugehen; denn beim Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung
dieser Neuerung steht ohne weiteres fest, daß diese das Wesen des Finanzgesetzes unberührt
gelassen hat. Das Finanzgesetz ist auch heute, was es von Anbeginn war, ein Auflagen-
gesetz. Sind in dem Finanzgesetz auch noch an dere Einnahmen, wie namentlich Einnahmen
1) Vgl. z. B. Landtagsabschied von 1836, RBl. S. 354 8 37.
2) Siehe Finanzgesetz v. 8. VI. 1821, RBl. S. 221.
3) „Sämtliche Staatsausgaben sollen auf die verschiedenen Verwaltungszweige so verwendet
werden, wie die Bedürfnisse derselben von Unsern getreuen Ständen bewilligt worden und wie
dieselben in der Beilage dieses Gesetzes aufgeführt sind.“