Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

5 80 Die Grundlagen des Budgetrechts. 199 
etwas, was in der Form des Gesetzes beschlossen wurde, oder was mittelbar auf formellem 
Gesetz beruht, einseitig wieder abzuändern oder sich darüber sonstwie hinwegzusetzen, so müssen 
sich Regierung und Landstände auch bei der Etatsaufstellung im Rahmen des Gesetzes halten. 
Das bedeutet vor allem: Alle Einnahmen und Ausgaben, die unmittelbar oder mittelbar 
auf Gesetz beruhen 1), müssen in den Etat eingesetzt oder — wie der Sprachgebrauch sagt — 
bewilligt“ werden. Erfolgt die Einsetzung in den Etat nicht, so bewirkt dies weder die 
Befreiung des etwaigen Staatsschuldners oder des Staates selbst von der Zahlungspflicht, 
noch den Untergang des Forderungsrechts des etwaigen Staatsgläubigers oder des Staates 
selbst; denn aus der Etatsfeststellung ergeben sich für den Staat keinerlei Forderungsrechte 
oder Zahlungspflichten, die nicht auch ohne die Vornahme dieses Verwaltungsaktes bestehen 
würden. Die Bindung, die sich aus diesem Rechtsgrundsatze für alle gesetzgebenden Fak- 
toren ergibt, ist außerordentlich weitgehend. Der Teil des Etats, dessen Posten — sei es 
dem Grunde, sei es dem Betrage nach — gesetzlich feststehen und bezüglich dessen 
die sog. „Etatsfeststellung“ demnach nicht mehr die Bedeutung einer Genehmigung, sondern 
nur noch den Charakter einer Konstatierung oder eines ausdrücklichen Anerkenntnisses oder 
gegebenenfalls einer schätzungsweisen Veranschlagung hat, nimmt an Umfang mehr und mehr 
zu 2). Nun liegt die Frage nahe, ob diese Bindung nicht durch Vereinbarung zwischen 
Regierung und Volksvertretung wieder aufgehoben werden kann. Diese Frage muß natürlich 
bejaht werden. Aber mit der selbstverständlichen Einschränkung, daß die Beseitigung 
der Bindung entweder in derjenigen Form erfolgt, welche seinerzeit bei der Begründung 
dieser Bindung angewandt wurde, oder daß für die Beseitigung der Bindung eine solenne, 
d. h. rechtlich höherstehende Form angewandt wird. Beruhte also die Bindung auf einem 
Verfassungsgesetz, so ist zur Aufhebung dieser Bindung ebenfalls ein Verfassungsgesetz not- 
wendig; erfolgte die Bindung durch ein gewöhnliches Gesetz im formellen Sinn, so genügt 
zur Beseitigung die Anwendung der gewöhnlichen Gesetzesform; erfolgte die Bindung in der 
Form des Finanzgesetzes, so kann diese Bindung entweder durch ein Finanzgesetz oder durch 
einfaches Gesetz im formellen Sinn oder schließlich durch Verfassungsgesetz beseitigt werden 2). 
Die Tatsache, daß die Etatsaufstellung ein Verwaltungsakt ist, wirkt selbstverständlich 
noch in den verschiedensten anderen Richtungen. Vor allem entspricht dem soeben erörterten 
Grundsatze der Bindung der Egxekutive an das Gesetz auf der anderen Seite 
das Prinzip des freien Verwaltungsermessens. Das Verwaltungs- 
ermessen kennt außer dem Gesetz (im weitesten Sinne des Wortes) und der Budgetverein- 
barung nur noch eine einzige Grenze, das ist die, die durch die Rücksicht auf das Wohl des 
Staates bestimmt wird. Die Freiheit des Verwaltungsermessens steht, da die Verfassung 
nichts Gegenteiliges bemerkt, allen Beteiligten — der Krone und den Kammern — in gleicher 
Weise zu; dies gilt natürlich auch in bezug auf die Beantwortung der Frage, welche Grenzen 
etwa im konkreten Falle dem Verwaltungsermessen durch die Rücksicht auf das Staatswohl 
gesetzt sind. In bezug auf die Beurteilung der Frage, ob eine bestimmte Einnahme oder 
Ausgabe im Interesse des Staatswohls notwendig oder nützlich ist, sind das Votum der 
Regierung und das der Landstände rechtlich vollständig gleichwertig. 
III. Neben den unter II angegebenen, aus dem Wesen der Etatsaufstellung hervor- 
gehenden Einschränkungen sind der Freiheit des Verwaltungsermessens auf dem Gebiete 
der Budgetfeststellung durch die Verfassungsurkunde selbst zwei bedeutsame Schranken gesetzt: 
  
1) „Mittelbar“ beruhen auf formellem Gesetz beispielsweise die vom Landesherrn in legaler 
Ausübung seiner exekutiven Befunn nisse geschaffenen staatlichen Organisationen. Das 
Organisationsrecht ist ein Ausfluß der dem Landesherrn nach der Berfassung (Art. 4) zu- 
stehenden vollziehenden Gewalt; eine Einschränkung dieses Organisationsrechts liegt nur insoweit 
vor, als einzelne bestimmte Organisationen auf formellem Gesetz beruhen, und als der Landesherr 
bei der Anstellung von staatlich besoldeten. Beamten an das Besoldungsgesetz gebunden ist. 
2) Vgl. hierüber van Calker, VGW. S. 
3) Es kann kein Zweifel darüber sein, daß das Finnugeset. mit Rückichte auf seine exzeptionelle 
Form (vogl. HV. Art. 72 mit Art. 67) nicht die Kraft hat, ein in der normalen Form ergangenes 
Gesetz oder gar ein Verfassungsgesetz (HB. Art. 110) aufzuheben, abzuändern oder in seiner Wirkung 
zu beeinträchtigen. 
 
	        
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