204 Die Finanzverwaltung. Die staatliche Finanzverwaltung. 8 82
Erinnerungen der letzgenannten Art sind von der ORK. mit der dekretierenden Behörde „in dem
allgemein üblichen Geschäftsverkehr auszutragen“, berechtigen die ORK. aber nicht zu irgend-
welchem unmittelbaren aufsichtlichen Vorgehen gegen die betreffende Behörde. Erinnerungen
der erstgenannten Art gehen dagegen als Re visionsbemerkungen“ zur Erläuterung
binnen gegebener Frist an den Rechner, können im Falle der Säumicgkeit des Rechners mit
der Verhängung von Ordnungsstrafen bis zu 100 Mk. verbunden und durch Entsendung von
Kommissären auf Kosten des Säumigen im Vollzug gesichert werden. Auf die Revisions-
bemerkungen und die hierzu eingelaufenen Erörterungen sind förmliche Beschlüsse zu
erteilen; erleidet der Abschluß des Rechners durch den Revisionsabschluß Anderungen, so
ist zugleich die persönliche Schuld des Rechners an die Kasse oder das Magazin festzustellen.
In Fällen von Dienstnachlässigkeit oder untreuer Verwaltung des Rechners ist die vorgesetzte
Behörde zu benachrichtigen. Gegen den Revisionsabschluß steht binnen drei Monaten der Be-
schwerdeweg offen; die Entscheidung erfolgt in einem besonders geregelten Verfahren vor der
durch Zuziehung von drei Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshofs verstärkten Oberrechnungs-
kammer. Die Beschlüsse dieser sog. Rekursinstanz gelten als rechtskräftige Erkenntnisse
und sind vollstreckbar, lassen aber das Beschreiten des Rechtswegs offen.
Was die Austragung der von der Of.. gefundenen Anstände anlangt, so kann nach
der Novelle von 1911 von der Einziehung zu wenig vereinnahmter oder zu viel verausgabter
Beträge, sowie von der Auszahlung zu viel vereinnahmter oder zu wenig verausgabter Be-
träge abgesehen werden, wenn es sich um geringfügige Summen handelt oder wenn diese
Maßnahmen mit unverhältnismäßigen Weiterungen oder Kosten verbunden wären. —
Einc staatsrechtlich besonders wichtige Aufgabe der ORK. ist die Anfertigung der zur
Vorlage an die Landstände bestimmten Nachweisungen über das Domanial- und
Staatsvermögen und über die Verwendung der bewilligten Staatsgelder nach Art. 9 und
68 HV. Diese Nachweisungen sind mit Bemerkungen zu versehen, aus welchen nament-
lich hervorzugehen hat, ob und inwieweit bei der staatlichen Einnahmen= und Ausgaben-
verwaltung Abweichungen von dem Finanzgesetz und sonstigen etatsrechtlichen Abmachungen
und Vorschriften (insbesondere Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßige Einnahmen und
Ausgaben) stattgefunden haben. Gleichzeitig ist dem Staatsministerium eine Denkschrift
vorzulegen, welche die wichtigsten Ergebnisse der Prüfung zusammenfaßt und die Wahr-
nehmungen über etwaige Mängel der Verwaltung nebst gutachtlichen Vorschlägen zur Ab-
hilfe enthält. Den Landständen sind auf deren Wunsch gegebenenfalls besondere Gutachten
über einzelne, zum Geschäftskreise der ORK. gehörige Fragen abzustatten. Endlich hat die
ORK. dem Großherzog alljährlich einen Bericht über ihre gesamte Geschäftstätigkeit nebst
entsprechenden gutachtlichen Vorschlägen vorzulegen 1). —
II. Die den Landständen zustehende regelmäßige Prüfung der Rechnungsnach-
weisungen gründet sich auf die mehrfach erwähnte Vorschrift des Art. 68 Abs. 2 HV., wonach
den Kammern im Zusammenhang mit der Begründung des Finanzgesetzentwurfs „eine ge-
nügende Auskunft über die Verwendung früher verwilligter Summen“ zu gewähren ist. Das
Nähere über die Einrichtung der hiernach erforderlichen Vorlagen der Regierung an die Land-
stände ergibt sich teils aus dem Etatrechtsgesetz vom 14. Juni 1879, teils aus dem unter 1
behandelten Oberrechnungskammergzesetze v. gl. T., teils aus dem staatlichen Herkommen?)
und vor allem aus dem Zwecke der Sache. Die parlamentarische Rechnungskontrolle bildet
das notwendige Korrelat des landständischen Budgetrechts. Sie muß also auf der einen Seite
den Landständen Gelegenheit geben, festzustellen, ob die Regierung bei der Durchführung
des Staatsvoranschlags gesetzmäßig und im Einklang mit den getroffenen Vereinbarungen
verfahren ist, andererseits der Regierung Gelegenheit gewähren, Entlastung von ihrer gegen-
über den Landständen bestehenden Verantwortlichkeit zu erhalten. Ergeben sich berechtigte
Anstände, so stehen, wenn nicht Indemnität erteilt wird, zu deren Austragung die verfassungs-
Sesüglich der besonderen disziplinarrechtlichen Stellung der ORK. und ihrer Mitglieder
s. Art.
2) Bezüglich der Tendenz zur Spezialisierung und bezüglich der Verantwortlichkeit vl.
Landtagsabschied v. 25. III. 1827 8 19 (RBl. S. 145) und v. I. Xl. 1830 5 25 (RBl. S. 377).