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mäßigen Mittel der Beschwerdeführung und der Ministeranklage (s. & 32 ff.) zur Verfügung. —
Zivilrechtliche oder strafrechtlich relevante Wirkungen werden durch die parlamentarische
Rechnungskontrolle nicht erzeugt.
Zweites Kapitel.
Vie inanzverwaltung der Selbstverwaltungskörper.
§ -83. Die Finanzverwaltung der Ortsgemeinden. I. Allgemeines; Orga-
nisation. Die Tätigkeit der gemeindlichen Finanzverwaltung erstreckt sich auf das gesamte
Vermögen sowie auf sämtliche Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde. Unter den Begriff
des Gemeindevermögens im weiteren Sinne des Wortes fallen alle im Eigentum der Ge-
meinde stehenden beweglichen und unbeweglichen Sachen und die Forderungerechte, gleich-
gültig, ob es sich um rentierendes oder nicht rentierendes Vermögen handelt und ob der etwaige
Nutzen des Vermögens der Gemeinde zukommt oder nicht. Die in anderen Richtungen bedeut-
same Unterscheidung von Allmendgut und Kämmereivermögen, sowie —
innerhalb des letzteren Begriffs — von Verwaltungsvermögen und werben-
dem Vermögen oder Finanzvermögen itt also in diesem Zusammenhange ohne
rechtliche Bedeutung; tatsächlich ist es naturgemäß in der Hauptsache das Finanzvermögen,
welches die Finanzverwaltung beschäftigt.
Die Grundsätze und die Durchführung der gemeindlichen Vermögensverwaltung werden,
soweit sie nicht unmittelbar durch Gesetz festgestellt sind, durch die Gemeindevertretung
(Stadtverordnetenversammlung, Gemeinderat) bestimmt; dies gilt namentlich auch in bezug
auf die Benutzung des Gemeindevermögens und die Anlage von Gemeindekapitalien (St .
92, 93; LGS, 91, 93). Zu einzelnen wichtigeren Akten der Vermögensverwaltung, wie zur
UÜbertragung des Eigentums von Grundstücken, zur Veräußerung von Kunstgegenständen
von öffentlichem Interesse, zu Verzichtleistungen auf Erhebung von bestehenden Umlagen,
zu Verträgen, durch welche dritten Rechte auf Versorgung der Gemeinde mit Wasser, Kraft,
Licht, Heizung, Transport= und Verkehrsgelegenheiten eingeräumt werden sollen, zur Auf-
nahme von Anleihen außer zum Zwecke der Schuldentilgung oder der vorübergehenden Be-
schaffung von Betriebsmitteln für das laufende Rechnungsjahr usw. ist Genehmigung des
Kreisrats erforderlich (St O. 95, 96; LGO. 95, 96) 7).
Im übrigen hat der Bürgermeister nach Maßgabe der Gesetze und der instruk-
tionellen Vorschriften selbständig die Anstalten der Gemeinde zu verwalten, etwaige hierfür
besonders eingerichtete Verwaltungen zu beaufsichtigen, die laufende Verwaltung des Ver-
mögens der Gemeinde zu führen, die auf dem Voranschlag oder auf Beschlüssen der Gemeinde-
vertretung beruhenden Einnahmen und Ausgaben anzuweisen, das Rechnungs= und Kassen-
wesen zu überwachen und das Eigentum der Gemeinde zu verwalten (St O., LG#O. 121). Die
Besorgung der Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde obliegt dem nach näherer Vorschrift
des Gesetzes angestellten „Stadtrechner“ bzw. „Gemeinderechner", der hierbei
an die vom Ministerium des Innern erlassenen Verordnungen und Anweisungen gebunden
ist. Der Rechner muß eine bestimmte persönliche Qualifikation besitzen — für Stadt= und
Landgemeinden verschieden normiert —, muß eine feste Besoldung beziehen, hat für ordnungs-
mäßige Dienstführung Sicherheit zu leisten, steht in bezug auf Beaufsichtigung, Disziplinar-
verhältnisse und Entlassung, vorbehaltlich einzelner Sonderbestimmungen, unter den für
Gemeindebeamte allgemein geltenden Vorschriften und wird in seiner Dienstführung durch
den Bürgermeister, den Kreisrat und durch Beamte der Oberrechnungskammer bzw. durch
besonders bestellte gemeindliche Revisionsbeamte 2) kontrolliert. Hinsichtlich etwaiger Defekte
1) Nach der LGO. sind einzelne Akte genehmigungspflichtig, die nach der St O. keiner Ge-
nehmigung bedürfen.
2) Bgl. hierzu Best, St O., Anm. zu 166 u. 182; L B. II 1908/11, Drucks. Nr. 464
S. 84 ff. (Ausschußbericht Dr. Glässing).