Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

5 83 Die Finanzverwaltung der Ortsgemeinden. 207 
  
zustellen; ihre Einführung oder Abänderung bedarf vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher 
Bestimmungen der Genehmigung des Ministeriums des Innern. Aber Beschwerden einzelner 
hinsichtlich der von ihnen zu entrichtenden Gebühren wird im Verwaltungsstreitverfahren 
entschieden (St O. 193—195; LGO. 186—188). · 
Die Erhebung der unter a und b erörterten Ausschläge und Gebühren soll insbesondere 
dann stattfinden, wenn und soweit die Übernahme der Kosten der fraglichen Veranstaltungen 
auf die Gemeindekasse eine erhebliche Umlagenerhöhung zur Folge haben und einzelne Gruppen 
von Umlagepflichtigen im Verhältnis zu dem ihnen durch die Veranstaltung gebotenen Vor- 
teile übermäßig belasten würde. Auf Unterrichts-, Bildungs-, Kranken-, Heil- und Pflege- 
anstalten, sowie auf Veranstaltungen, die vorzugsweise den Minderbemittelten dienen, finden 
diese Bestimmungen keine Anwendung. Jedoch muß für den Besuch der von den Gemeinden 
unterhaltenen höheren Lehranstalten und Fachschulen ein angemessenes Schulgeld erhoben 
werden. Die vorgenannten Bestimmungen lassen die in besonderen Gesetzen (z. B. der all- 
gemeinen Bauordnung von 1881) enthaltenen Vorschriften über die Entrichtung von Aus- 
schlägen und Gebühren grundsätzlich unberührt, finden jedoch insoweit entsprechende Anwendung, 
als dort kein besonderes Beschwerdeverfahren vorgeschrieben ist. Die von den Grundeigentümern 
als solchen zu tragenden Ausschläge und Gebühren haften als öffentliche Lasten im Sinne der 
Art. 1 I Ziff. 3 des AG, die Zwangsversteigerung usw. betr., vom 23. Juli 1899, auf den 
Grundstücken (St O. 196—198; LGO. 189—191) ). 
c) Besondere Abgaben. Die Neueinführung oder Abänderung von besonderen 
zur Gemeindekasse zu vereinnahmenden Abgaben, wie Verbrauchsabgaben, Marktstandgeld 
u. dgl., hat durch Ortssatzung zu erfolgen; hierbei können gegen Hinterziehungen und 
sonstige Zuwiderhandlungen Geldstrafen bis zum 15 fachen Betrag der hinterzogenen Abgabe 
(im Uneinbringlichkeitsfalle Haftstrafe bis zu 6 Wochen) und Ordnungsstrafen bis zu 150 Mk. 
zugunsten der Gemeindekasse angedroht werden. Beschwerden einzelner gegen die ihnen ab- 
geforderten Abgaben werden im Verwaltungsstreitverfahren entschieden. 
Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Erhebung von Oktroi auf Traubenwein, 
Obstwein, Branntwein und Bier und auf Brennstoffe 2). (St O. 199, 200; LGO. 192, 193). 
Besondere, die Erhebung bestimmter Abgaben oder das Beschwerderecht gegen bestimmte 
Abgaben regelnde Vorschriften werden durch vorstehende Bestimmungen nicht berührt (St. 
201; LGO. 194). Dies gilt insbesondere von der Besitzwechselabgabe, der Wert- 
zuwachssteuer, der Billettsteuer und dem Hundesteuerzuschlag: Art. 3 
des Gesetzes vom 28. März 1907 zur Abänderung des Gesetzes über den Urkundenstempel 
vom 12. August 1899 (RBl. 1907 S. 137) gestattet den Gemeinden die Erhebung eines Zuschlags 
zu dem staatlichen Immobiliarumsatzstempel bis zur Hälfte des staatlichen Stempelsatzes nach 
näherer Vorschrift des Gesetzes bzw. der Ortssatzung. Art. 2 des Hundesteuergesetzes vom 
12. August 1899 gibt den Gemeinden die Erlaubnis, das Halten von Hunden innerhalb ihrer 
Gemarkung mit einer Jahresabgabe von höchstens 10 Mk. für jeden Hund zu belegen 3). Nach 
dem Billettsteuergesetz vom 21. März 1910 (RBl. S. 27) sind die Gemeinden befugt, auf Grund 
ortsstatutarischer Regelung von den im Gemeindebezirk stattfindenden Theatervorstellungen 
aller Art, Konzerten jeder Art, kinematographischen, artistischen u. dgl. Vorstellungen, komischen 
und spiritistischen Vorträgen, Karnevalsitzungen und Bällen, Wettrennen und ähnlichen im 
Gesetze genannten Veranstaltungen vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen eine vom Eintritts- 
preis zu berechnende Abgabe von nicht mehr als 10 0 zu erheben. Endlich gewährte das hessische 
Wertzuwachssteuergesetz vom 14. Dezember 1907 (RBl. S. 425) den Gemeinden das Recht, 
den Wertzuwachs des in ihrer Gemarkung gelegenen Grundbesitzes zu besteuern, dieses Gesetz 
hat jedoch durch das Zuwachssteuergesetz des Deutschen Reichs vom 14. Februar 1911 (RGl. 
S. 33) seine praktische Bedeutung in der Hauptsache verloren. Die Gemeinden erhalten nun- 
S or Vgl. auch die für die Auslegung wichtigen Anmerkungen (Motive) bei Best, StO., 
" 2) Die Erhebung von Verbrauchsabgaben von Getreide, Mehl, Back-, Fleischwaren und 
Fett ist nach dem Reichszolltarifgesetz vom 25. XII. 1902 seit 1. IV. 1910 nicht mehr zulässig. 
3) Vgl. auch Vollz BO. v. 4. XI. 1899/ 2. XII. 1905 FK 8.
	        
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