g 85 Begriff, Organisation und Zuständigkeit der Polizei im allgemeinen. 215
Verfahren nicht vorgeschrieben ist, zu erzwingen“ — insoweit, als Anordnungen dieser Art
als „im öffentlichen Interesse geboten erscheinen“ 7).
II. Organe der Polizei; Kosten der Lokalpolizei. 1. Als oberstes
Organ der staatlichen Polizeitätigkeit ist angesichts des Art. 4.UV. unzweifelhaft der Landes-
herr zu bezeichnen. Seine „polizeilichen“ Befugnisse erschöpfen sich jedoch in der Erteilung
von Befehlen polizeilichen Inhalts an die ihm unterstehenden Staatsbehörden und in dem Er-
lasse unmittelbarer Polizeiverfügungen. In letzterer Beziehung ist auf den Art. 73 H.
zu verweisen, der dem Großherzog zwar nicht ausdrücklich das Recht zum Erlaß von Polizei-
verfügungen gibt, ihn aber speziell für befugt erklärt, „die zur Vollstreckung und Handhabung
der Gesetze erforderlichen, sowie die aus dem Aufsichts- und Verwaltungsrecht ausfließenden
.. Anstalten zu treffen, und in dringenden Fällen das Nöthige zur Sicherheit des Staats
vorzukehren" — also Maßnahmen zu ergreifen, die zum Teil zweifellos unter den Begriff der
Polizeiverfügung fallen können. — Dagegen ist die Mitwirkung des Großherzogs bei dem
Erlasse von Gesetzen polizeilichen Inhalts und seine Befugnis zum Erlasse von Rechts-
verordnungen (einschließlich Polizeiverordnungen) nach Art. 72, 73 HV. nicht als eine polizei-
liche“ Tätigkeit anzusehen. «·"- ·
2. Das Staatsministerium ist mit polizeilichen Gegenständen, abgesehen von
der Vorbereitung von Gesetzesentwürfen und landesherrlichen Verordnungen polizeilichen
Inhalts — vorbehaltlich etwaiger ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften — nur insoweit befaßt,
als es sich um Angelegenheiten folgender Art handelt:
à) Grundsätzliche oder politisch wichtige Entschließungen auf dem Gebiete des Preß-
und Vereinswesens; b) Anlegung neuer Staats= oder Privateisenbahnen, sofern hierbei
polizeiliche Interessen in Frage kommen; c) Gegenstände polizeilichen Charakters, bei welchen
sämtliche Ressorts interessiert sind, oder welche aus anderen Gründen vor das Staatsministerium
gebracht werden).
3. Unter den zur Zuständigkeit des Staatsministers (Ministerpräsidenten) ge-
hörigen Angelegenheiten können namentlich die folgenden polizeilichen Charakter tragen:
a) die Rheinschiffahrtsangelegenheiten; b) die Erhaltung der Hoheitsgrenzen; ef die Er-
teilung von Ministerialpässen.
4. Als eigentliche Zentralbehörde der Polizei erscheint das Ministerium des
Innern, jedoch können auch das Ministerium der Finanzen und das Ministerium der Justiz,
soweit sie die Funktion von Verwaltungsbehörden versehen und ihren Verfügungen zwangs-
weisen Vollzug schaffen, „polizeilich“ tätig werden. Der Erlaß von polizeilichen Verfügungens)
ist aber den Ministerien und den ihnen untergeordneten Zentralstellen und
Zentralmittelstellen (einschließlich der Ministerialabteilungen) selbstverständlich
nur insoweit gestattet, als sich dies aus ihrer ressortmäßigen Zuständigkeit und der Gesetz-
gebung ergibt.
5. Die polizeiliche Zuständigkeit der Provinzialdirektoren beschränkt sich
auf die folgenden, schon in anderem Zusammenhang erwähnten Fälle: a) Anordnung von
sicherheits- und sanitätspolizeilichen Maßregeln, die über den Bereich eines einzelnen Kreises
hinausgehen ); b) Anordnung bestimmter strompolizeilicher Verfügungen auf Grund der
hierüber bestehenden besonderen Gesetze (kommt nur für Rheinhessen und Starkenburg in
Betracht; c) vorläufige Suspendierung von polizeilichen Zwangsmaßregeln des Kreisrats
bzw. in den Stadtgemeinden des Lokalpolizeibeamten gemäß Art. 66 Abs. V KPO., Art. 129 b
Abs. II Ziff. 3 St O. 5)
1) Die zitierte Gesetzesbestimmung läßt erkennen, daß das hessische Recht übereinstimmend
mit der * Lehre in der B#eeitigung von Gefahren“ kein Wesensmerkmal des Polizei-
begriffs sieht (ogl. Meyer-Dochow S. r
2) Siehe Org BO. v. 15. III. 1879, RBl. S. 55, 4 Ziff. 8, 9, 12.
3) Bezüglich des Verordnun srechts der 3 s. oben 65.
6- 5 Edikt v. 12. XI. 1860 (#hl. S. 341) § 2. Vgl. oben §# 66 (Polizeiverordnung); KPO.
rt.
5) In dem Falle c) erklärt sich die Zuständigkeit des Provinzialdirektors aus seiner Eigenschaft
als Vorsitzender des Provinzialausschusses.