216 Die Polizeiverwaltung. rs85
6. Die polizeilichen Zuständigkeiten der Kreisräte sind durch die KPO. im Einklang
mit dem bisherigen Recht in folgender Weise geregelt:
Der Kreisrat führt als Organ der Staatsregierung sämtliche Geschäfte der allgemeinen
Landesverwaltung im Kreise und hat demgemäß a) „auch ferner die gesamte Polizeiverwaltung
im Kreise, soweit sie ihm seither übertragen war, auszuüben“; b) „deren Ausübung in dessen
einzelnen Gemeinden und Gemarkungen zu überwachen; in letzterer Beziehnung („in Hand-
habung dieses Aufsichtsrechts über die ortspolizeiliche Tätigkeit der Gemeindebehörden") ist
der Kreisrat auch berechtigt, „in dringenden Fällen statt der Ortspolizeibehörde selbst unmittel-
bar einzuschreiten“ (KPO. Art. 63). Der Kreisrat ist demnach innerhalb des ganzen Kreises,
soweit nicht einzelne Zuständigkeiten ausdrücklich anderen Organen übertragen sind, prae-
sumptiv zuständig, alle polizeilichen Kompetenzen auszuüben. Dies gilt grundsätzlich sowohl
für die selbständigen Gemarkungen und die Landgemeinden als auch für die Stadtgemeinden.
Da jedoch in den Land= und Stadtgemeinden besondere Ortspolizeibehörden bestehen, denen
nach den beiden Gemeindeordnungen und nach speziellen Gesetzen „die Handhabung der
Lokalpolizei“ sowie einige weitere polizeiliche Einzelzuständigkeiten selbständig zustehen,
so beschränkt sich die Zuständigkeit des Kreisrats für das Gebiet der Ortspolizei, d. h. für die
Polizeiangelegenheiten rein örtlicher Natur, in der Regel auf die bloße Uberwachung
der polizeilichen Tätigkeit der Lokalpolizeibehörden 1). Nur ausnahmsweise, nämlich nur
„in dringenden Fällen“, kann der Kreisrat statt der Ortspolizeibehörde selbst unmittelbar ein-
schreiten. Solche „dringenden Fälle“ werden, soweit es sich um die Ausübung der Lokalpolizei
in den Land gemeinden handelt, u. a. stets dann anzunehmen sein, wenn polizeiliche Zwangs-
maßnahmen notwendig werden, zu deren selbständiger Vornahme der Landbürgermeister im
Gegensatz zu dem Lokalpolizeibeamten in den Stadtgemeinden nicht befugt ist. Der Kreis-
rat wird hier entweder unmittelbar selbst einschreiten oder mit der Einschreitung seine unter-
gebenen Polizeiorgane — gegebenenfalls die Ortspolizeibehörde — betrauen.
Beim Erlasse von Polizeiverordnungen ist der Kreisrat stets an die Mitwirkung anderer
Faktoren gebunden (s. KPO. Art. 64, 65, vgl. oben S. 169); sein Polizeiverfügungsrecht unter-
liegt ebenfalls bestimmten gesetzlichen Einschränkungen (s. KPO. Art. 66, vgl. unten § 86).
7) In den Stadt= und Landgemeinden fungieren als „Ortspolizeibehörden“ oder „Lokol-
polizeibeamte“ regelmäßig die Bürgermeisterz; jedoch können die Geschäfte der Polizei
auch ganz oder teilweise (nach Materien geschieden) besonderen sta atlichen Polizeibehörden
(sog. Polizeiämtern) übertragen werden. Von dieser Befugnis hat die Regierung
in Darmstadt, Gießen, Offenbach und Bad Nauheim Gebrauch gemacht. Ubt der Bürger-
meister die Lokalpolizei aus, so kann die Regierung die Anstellung eines ihm untergeordneten
Polizeikommissärs verlangen; den Gehalt dieses Polizeikommissärs trägt die Gemeinde. Im
übrigen bleibt es dem Ministerium des Innern überlassen, über die Mindestzahl der Polizei-
offizianten unter Berücksichtigung der Bevölkerungsziffer und der sonstigen örtlichen Ver-
hältnisse Bestimmungen zu treffen. Sämtliche Kosten der Lokalpolizei. einschließlich
derjenigen des niederen Polizeipersonals, trägt die Gemeinde. (St O. 129 a, 129 c; LGO.
128 a, 128 b).
« Die polizeiliche Zuständigkeit des Stadtbürgermeisters bzw. des staatlich angestellten
besonderen Lokalpolizeibeamten deckt sich, von geringfügigen Abweichungen abgesehen, grund-
sätzlich mit derjenigen des Kreisrats (s. Abs. II Ziff. 6 des laufenden Paragraphen) und
bedarf daher keiner besonderen Darstellung. Im einzelnen ist auf St O. Art. 129 a, 129b
und auf die Darstellung des Polizeiverordnungsrechts und des Polizeiverfügungsrechts in
88 66 und 86 zu verweisen.
Die Zuständigkeit des Landbürgermeisters bzw. des an seine Stelle tretenden besonderen
Lokalpolizeibeamten ist gesetzlich nicht präzis geregelt. Der in Art. 128 a LGO. aufgestellte
Satz, daß dem genannten die Handhabung der Lokalpolizei „in dem seitherigen Umfange“,
d. h. in dem Umfange des Art. 53 der alten LGO. und — letzten Endes — des Art. 12 der
einstigen allgemeinen Gemeindeordnung vom 30. Juni 1821 übertragen sei, kann angesichts
1) Dieser Grundsatz gilt auch für die Handhabung der örtlichen Polizei in den Gemarkungen.