g 85 Begriff, Organisation und Zuständigkeit der Polizei im allgemeinen. 217
der engeren Eingrenzung der polizeilichen Befugnisse der Lokalpolizeibehörden in den Stadt-
gemeinden jedenfalls nicht die Bedeutung haben, daß den Ortspolizeibehörden der Land-
gemeinden weitergehende Kompetenzen als jenen hätten verliehen werden wollen. Viel-
mehr läßt die Tatsache, daß jene ausdrücklich durch Gesetz zum Erlaß von Polizeiverordnungen
und Polizeiverfügungen und zur Anwendung von Polizeizwang ermächtigt wurden, diese
aber nicht, den sicheren Schluß zu, daß die Ortspolizeibehörden auf den Er-
laß von einfachen Polizeiverfügungen beschränkt sind. Soveit für
Landgemeinden das Bedürfnis nach Lokalpolizeiverordnungen besteht, werden diese gemäß
Art. 64 KPO. vom Kreisrat erlassen; soweit Polizeizwang erforderlich ist, wird dieser ent-
weder unmittelbar vom Kreisrat oder auf dessen Anordnung von der Lokal-
polizeibehörde oder sonstigen dem Kreisrate untergeordneten Polizeiorganen ausgeübt.
8. Die unter Ziff. 1—7 genannten Organe der Polizei haben durchgehends unmittel-
bar auf Grund des Gesetzes bestimmte polizeiliche Befugnisse innerhalb eines fest-
abgegrenzten räumlichen Wirkungskreises — Staat, Provinz, Kreis, Ortsgemeinde — zu
versehen. Zur Unterstützung bei der Erfüllung dieser Aufgabe sind ihnen verschiedenerlei Hilfs-
organe untergeordnet, welche nicht auf Grund einer eigenen gesetzlichen Zuständigkeit,
sondern jeweils nur auf Anrufen bzw. Befehl des höheren Polizei-
organs tätig zu werden haben:
a) die Polizeikommissäre und das sog. niedere Polizeipersonal (Schutz-
mannschaft) der Gemeinden (gemäß Art. 128 b LGO.; 129b St. (s. oben S. 127, 132).
Die Ernennung des Polizeipersonals erfolgt auf Beschluß der Gemeindevertretung
durch den Bürgermeister, bedarf aber, abgesehen von dem niederen Polizeipersonal in den
Stadtgemeinden, der Genehmigung des Kreisrats und wird bezüglich des niederen Polizei-
personals erst dann gültig, wenn der Kreisrat die Verpflichtung des Vorgeschlagenen vor
genommen hat (LGO. Art. 121 Ziff. 7, 140; St O. 121 Ziff. 7, 142).
b) Die Gendarmeriet). Das Großherzogliche Gendarmeriekorps ist ein mili-
tärisches Korps?2), welches die Bestammung hat, nach Anleitung der zuständigen Polizei-
behörden und unter Beobachtung der mit landesherrlicher Genehmigung vom Ministerium
des Innern erlassenen Dienstordnung vom 14. Dezember 1903 (Rl. 1904 S. 1) Ruhe, Sicher-
heit und Ordnung im Staatsgebiete zu handhaben. Das Gendarmeriekorps untersteht in
militärischer Hinsicht den militärischen Vorgesetzten, im übrigen, insbesondere was die örtliche
Verteilung und polizeiliche Verwendung betrifft, dem Ministerium des Innern.
Die örtliche Verteilung der Gendarmerie innerhalb der Provinz und ihre Verwendung
zu solchen sicherheits= und gesundheitspolizeilichen Maßnahmen, deren Ergreifung im Interesse
der ganzen Provinz oder mehrerer Kreise geboten ist, steht der Provinzialdirektion unter Zu-
ordnung des betreffenden Distriktsklommandeurs zu. Im übrigen haben die in den Kreisen
stationierten Gendarmen die ihnen obliegenden polizeilichen Verrichtungen nach Anleitung
der Kreisämter auszuüben. (Dienstanw. §§ 112—118). Ortspolizeiliche Dienste sind von den
Gendarmen nur in besonderen Fällen, und in der Regel nur zur Unterstützung der Ortspolizei-
organe zu versehen; bei gleichzeitigem Tätigwerden von Gendarmen und niederen Ortspolizei-
organen oder Sicherheitswachen sind die beiden letzteren Organe jenen untergeordnet (88 124
is 128)2)
Als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft (GVG. F 153) haben die Gendarmen, d. s. die
Mannschaften des Gendarmeriekorps ohne Offiziersrang, den Anordnungen der Staatsanwälte
bei dem Landgerichte ihres Bezirks und der diesen vorgesetzten Beamten Folge zu leisten und
Aufträge und Ersuchen der Justizbehörden nach den bestehenden Dienstvorschriften zu erledigen.
Die militärgerichtlichen Verhältnisse des Gendarmeriekorps bestimmen sich auf Grundlage
1) Die Be Feichnung 3 endarmerier (an Stelle von „Landdragoner“ und „Landschütz“)
wurde am 11. 1822 (RBl. S. 488) eingeführt.
2 Siehe preuß.-zess. Müitäckonvention 13. VI. 1871 (KBl. S.341) Art. 23;zvan Calker,
SG.
4— der Bornahme von Berhaftungen und vorläufigen Festnahmen s. Dienst-
unwessond ### 161 ff.