8 87 Preß-, Vereins- und Versammlungspolizei im besonderen. 223
behandelten Falle des § 39 StGB., nur den im Freizügigkeitsgesetze ## 3—5 zugelassenen
sicherheitspolizeilichen und armenpolizeilichen Aufenthaltsbeschränkungen unterworfen werden:
a)landesrechtliche Aufenthaltsbeschränkungen gegen bestrafte Personen im
Sinne des § 3 Abs. 1 JG. sind dem hessischen Recht unbekannt 1). Demnach ist auch für die
Anwendung des § 3 Abs. 2 in Hessen nur insofern Raum, als es sich um Personen handelt,
denen infolge ihrer Bestrafung wegen wiederholten Bettelns oder wegen wiederholter Land-
streicherei unmittelbar auf Grund Reichsrechts der Aufenthalt versagt werden kann.
Dies ist der oben unter 11 Ziff. 1 lit. b erörterte Fall.
6) Die reichsrechtlichen Aufenthaltsbeschränkungen gegen Arme im Sinne der
4 und 5 FG. (Abweisung neu zuziehender und Aus weisung neu zugezogener Armer)
erfolgen durch bürgermeisteramtliche bzw. lokalpolizeiliche Verfügung 2).
) Hessische Staatsangehörige können nach allgemeingültigen völker-
rechtlichen Prinzipien niemals aus dem hessischen Staatsgebiet und ebenso niemals aus dem
Reichsgebiet ausgewiesen werden. Bezüglich sonstiger Aufenthaltsbeschränkungen ist folgendes
zu unterscheiden:
u) Aufenthaltsbeschränkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 FG. sind, wie oben bemerkt,
durch die hessische Gesetzgebung nicht vorgesehen worden. Aufenthaltsversagung im Sinne des
§#3 Abs. 2 FG. darf nur in dem unter b) a) erörterten Falle verfügt werden und kann sich aus
den vorgenannten Gründen niemals auf das ganze Staatsgebiet beziehen.
)Aufenthaltsbeschränkungen im Sinne der §§ 4 und 5 FW. sind mit dem schon oben er-
wähnten Vorbehalte zulässig, daß niemand aus dem Orte weggewiesen werden darf, an
welchem er seinen Unterstützungswohnsitz hat.
3.Die besonderen Zwangsbefugnisse, die sich aus der Reguisition von Militär
oder aus der Verhängung des Belagerungszustandes ergeben ?#).
4. Die besonderen Zwangsbefugnisse, die sich ergeben:
a) Aus der Eigenschaft polizeilicher Organe als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft
gemäß § 153 GVG., öF 157, 161 St PO.
b) Aus der Versehung amtsanwaltschaftlicher Funktionen durch polizeiliche Organe
gemäß §§ 143, 147 GVG.
c) Aus der Verpflichtung, Ersuchen oder Ausfträgen des Untersuchungsrichters um
Ausführung einzelner Maßregeln oder um Vornahme von Ermittlungen zu genügen gemäß
* 187 St PO.
l S7. Preß-, Vereins= und Versammlungspolizei im besonderen. I. Preß-
recht. Zufolge § 30 des Reichspreßgesetzes sind von der reichsrechtlichen Regelung des Preß-
rechts diejenigen landesrechtlichen Vorschriften unberührt geblieben, welche sich auf „das
öffentliche Anschlagen, Anheften, Ausstellen sowie die öffentliche, unentgeltliche Verteilung
von Bekanntmachungen, Plakaten und Aufrufen“ beziehen. Demnach ist das hessische Preß-
gesetz vom 1. August 1862 (RBl. S. 295) noch insoweit in Geltung, als es in Art. 48 den
öffentlichen Anschlag von Druckschriften und in Art. 45, 47 auch das unentgeltliche Anbieten
Ausstreuen oder Verteilen von Druckschriften an öffentlichen Orten unter Strafandrohung
von ortspolizeilicher bzw. kreisamtlicher Erlaubnis abhängig macht .
II. Vereins-- und Versammlungsrecht.
Das Reichsvereinsgesetz (RVG.) vom 19. April 1908 hat die landesrechtlichen Be-
stimmungen über Vereins= und Versammlungsrecht aufgehoben und die Landgesetzesgebung
1) Siehe Nußbaum i. Ztschr. f. ges. Strafrechtswissenschaft XXV (1905) S. 346. —
Nach dem oben zitierten MA. v. 25. X. 1894 (zu Nr. M. J. 25 995) sub lit. o, Abs. 2 hat es den
Anschein, als ob in Hessen solche Aufenthaltsbeschränkungen vorkämen, allein es fehlt jede gesetz-
liche Grundlage hierfür.
2) Siehe Küchler (Braun u. Weber) II S. 31.
3) Siehe hierüber oben § 85.
4) Siehe Küchler III S. 59: Zeller III S. 51. Bgl. auch die Ausf VO. z. GO. v.
20. III. 1912 (KBl. S. 47), 3 73 Abf. 2.