Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

228 Gesundheitswesen. g 89 
  
4. Die vorgenannten ärztlichen, veterinärärztlichen und pharma— 
zeutischen Vereine sind frei organisierte, aus den ihnen efreiwillig beitretenden im 
Bezirke wohnhaften Arzten gebildete Berufsvereine, welche vom Staate namentlich mit der 
Wahl der Abgeordneten zu den vorerwähnten Zentralausschüssen und mit der Erstattung 
von Gutachten betraut sind 1). 
5. Eine eigenartige Rechtsstellung besitzt die im Jahre 1909 ins Leben getretene „Groß- 
herzogliche Zentrale für Mutter- und Säuglingsfürsorge“ in 
Darmstadt, deren Gründung durch einen an den Präsidenten des Ministeriums des Innern 
gerichteten Allerhöchsten Erlaß des Großherzogs vom 4. Dezember 1906 angeregt wurde?). 
Die genannte Zentrale, deren Mitgliedschaft von Einzelpersonen, Vereinen und Körperschaften 
gegen Leistung eines regelmäßigen Jahresbeitrags erworben werden kann, ist keine Staats- 
anstalt. Sie steht jedoch unter dem Protektorate des Großherzogs und der Großherzogin und 
besitzt auf Grund ihrer von der Mitgliederversammlung angenommenen und vom Großherzog 
genehmigten Satzung vom 15. Mai 1909 einen „Vorstand“, dem statutengemäß der 
Minister des Innern, ein von den Protektoren berufenes Mitglied, vier von dem 
„Ausschuß“ gewählte ehrenamtlich tätige Mitglieder und zwei auf Vorschlag des Ausschusses 
vom Großherzog ernannte Direktoren (Verwaltungsdirektor und ärztlicher Direktor) 
angehören. Die beiden letzteren können im Hauptamt mit den Rechten von etatsmäßigen 
Staatsbeamten angestellt werden. Der „Ausschuß “ besteht aus 15 Mitgliedern einschließlich 
der Vorstandsmitglieder, die „Hauptversammlung“ aus der Gesamtheit aller Mit- 
glieder. Die im Anschluß an die Großherzogliche Zentrale von deren Protektoren geschaffene 
Einrichtung des „Patronats“ und der „Helferinnen des Patronats“ besitzt eine besondere 
Organisation für sich. 
Die Großherzogliche Zentrale f. M. u. S. hat die Aufgabe, im ganzen Land alle die 
Maßregeln durchzuführen, die für eine geordnete Mutter- und Säuglingsfürsorge notwendig 
sind; ihre Tätigkeit kann jedoch statutengemäß auch auf weitere Gebiete der Volkswohlfahrt 
erstreckt werden. Als Hilfsmittel der Mutter= und Säuglingsfürsorge dienen in erster Linie 
die von der Zentrale eingerichteten, mit weiblichen Hilfskräften ausgestatteten ärztlichen 
Beratungsstellen; ärztlich beaufsichtigte Krippen, Stillkrippen, Still- 
räume und Milchküchen; Säuglingspflege-- und Säuglingskranken- 
anstalten, namentlich die im Jahre 1911 errichtete Universitätskinderklinik; 
Fürsorge für Schwangere und Wöchnerinnen durch Anstellung von Hauspflegerinnen 
und Gründung von Wöchnerinnen- und Mütterheimens; endlich die systematisch 
geordnete Tätigkeit der Zweigstellen der Zentrale, von denen sich regelmäßig mindestens 
eine in jedem Kreise befindet. Sie regeln die gesamte Mutter= und Säuglingsfürsorge 
ihres Bezirkes selbständig und im Anschluß an die Zentrale und wirken namentlich auch 
in Gemeinschaft mit den Ärzten, den Ärztevereinen und Hebammen, mit den örtlichen 
Pflege= und sonstigen Wohlfahrtseinrichtungen, mit der gesetzlichen Vormundschaft, mit 
Geistlichkeit, Arbeiterschaft und Armenpflege und mit der Tuberkulose-, Krüppel= und 
Wohnungsfürsorge. 
Zur Bestreitung der laufenden Ausgaben der Zentrale dienen neben den Einnahmen 
aus eigenen Unternehmen der Zentrale die Mitgliederbeiträge, die der Zentrale zur Ver- 
fügung gestellten Zinsen der Ernst-Ludwig= und Eleonoren-Stiftung, einmalige Schenkungen 
und endlich ständige Zuschüsse des Staates oder anderer Körperschaften, die nicht Mitglieder 
der Zentrale werden wollen. 
II. Die Ausübung der Heilkunde ist auf der Grundlage der Gewerbefreiheit 
in der Hauptsache reichsrechtlich geregelt; auf landesrechtlicher Regelung beruhen namentlich 
die Bestimmungen über die Vorbereitung für den Staatsdienst im Medizinal- 
  
1) Org# O. v. 28. XII. 1879 §§ 14—17. 
2) Siehe Geschäftsbericht der Großh. Zentrale 1909/10 und die von ihr im Jahre 1911 
— „Richtlinien“, sowie E. Pistor in der Zeitschrift für Säuglingsschutz 1911 
S. 129 ff.
	        
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