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nicht berührt 1). Für jede Gemeinde ist unter Berüchsichtigung der religiösen Anschauungen
der Konfessionsgemeinden und religiösen Verbände durch Ortsstatut eine Begräbnis= und
Friedhofsordnung zu erlassen, welche namentlich über die Anlage, Benützung und polizeiliche
Beaufsichtigung des Friedhofs Bestimmung zu treffen hat.
Beerdigungen dürfen an anderen Orten als auf Friedhöfen oder in kreisamtlich ge-
nehmigten Familienbegräbnissen nur mit Erlaubnis des Kreisamts stattfinden und sehen
regelmäßig eine stempelpflichtige schriftliche ortspolizeiliche Genehmigung voraus 2). Die
letztere darf erst dann erteilt werden, wenn der Ortspolizeibehörde ein von einem approbierten
Arzt oder von einem verpflichteten Leichenbeschauer des Sterbeortes ausgestelltes Todes-
zeugnis übergeben worden ist, und nachdem die standesamtliche Eintragung des Sterbefalls
stattgefunden hat 3).
2. Die Feuerbestattung ist nach Gesetz vom 19. August 189941) beim Vorhanden-
sein der vorgeschriebenen Voraussetzungen grundsätzlich in allen denjenigen Anstalten zuge-
lassen, welche auf Grund ortsstatutarischer Bestimmungen errichtet und geleitet werden. Sie
darf jedoch nur dann erfolgen, wenn sie von dem Verstorbenen nachweislich angeordnet 5)
und von der Ortspolizeibehörde des Bestattungsortes auf Grund der Zeugnisse des behan-
delnden Arztes und des zuständigen Amtsarztes über die Todesursache und des Zeugnisses
der Ortspolizeibehörde des Sterbeortes über das Fehlen strafrechtlich relevanter Verdachts-
momente schriftlich genehmigt worden ist.
VIII. Vereinzelte Vorschriften gesundheitspolizeilichen
Charakters finden sich, abgesehen von den hier nicht darzustellenden reichsrechtlichen
Vorschriften, in zahlreichen Landesgesetzen, landesherrlichen, ministeriellen und kreisrätlichen
Polizeiverordnungen, Lokalpolizeireglements usw. Besonders zu erwähnen sind die Vor-
schriften über die ärztliche Behandlung erkrankter Waisenkinder und
über den Schutz der Pflegekinder (Bek. v. 26. I. 1830; Ges. v. 10. IX. 1878;
Instruktion v. 14. V. 1880), sowie die an anderer Stelle zu behandelnden Bestimmungen
wohnungspolizeilicher und veterinärpolizeilicher Natur. Vgl. auch
PöSt. Art. 144—373.—
Fünftes Kapitel.
Persicherungswesen.
#5#90. Arbeiterversicherung. Durch die Reichsversicherungsordnung
vom 19. Juli 1911, RGl. S. 509, wurde die ganze, in den Jahren 1883—1903 geschaffene
und ausgebaute Arbeiterversicherung des Deutschen Reichs neu geregelt. Sie umfaßt in
sechs Büchern mit insgesamt 1805 Paragraphen die Krantenversicherung, II. Buch,
die Unfallversicherung, III. Buch, und die Invaliden= und Hinter-
bliebenenversicherung, IV. Buch; die für alle Versicherungszweige gemein-
samen Vorschriften, über Träger und Organisation der Versicherung und über die
gemeinsamen Begriffsbestimmungen sind im I. Buch, die Vorschriften über das Verfahren
im VI. Buch enthalten. Das Ein führungsgesetz diente zur Aufnahme derjenigen
Vorschriften, welche sich auf das Inkrafttreten der RVO., auf die Durchführung der Organi-
sation, auf laufende Leistungen, erworbene Ansprüche, schwebende Streitigkeiten und andere
Angelegenheiten von nur vorübergehender Bedeutung beziehen.
Die RV0O. trat, insoweit es sich um die Maßnahmen zu ihrer Durchführung handelte.
sofort in Kraft. Die Vorschriften über die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung traten
mit dem 1. Januar 1912 in Kraft. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der übrigen Vorschriften
wird durch kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats bestimmt (EG. Art. 1—4).
1) Bglgl. Hechler a. a. O. S. 3 Anm. 8; Biermann S. 24, 39 ff.
2) Die Stempelgebühr beträgt 10 bis 300 Mk.; s. Ges. v. 24. III. 1910, Tarif Nr. 14.
3) Bgl. Ges. v. 22. VII. 1905, Ausführungs Bek. v. 1. III. 1906 u. Musterstatut (amtl. Hand-
ausgabe S. 206).
4) RBl. S. 590.
5) Bei Kindern unter 16 Jahren genügt die Anordnung des Inhabers der elterlichen Gewalt.