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Seit dem Erlaß der RVO. ergingen u. a. vier kaiserliche Verordnungen über den Geschäfts-
gang und das Verfahren des Reichsversicherungsamts, der Obewersicherungsämter und der
Versicherungsämter, sowie über die Gebühren der Rechtsanwälte, sämtliche vom 24. Dezember
1911 datiert 1), ferner fünf Bekanntmachungen des Reichskanzlers, betreffend Ubergangsbe-
stimmungen zur Reichsversicherungsordnung vom 21., 22. und 23. XII. 1911 und vom
24. VI., 24. X. 1912 2).
Wie aus dem Gesagten hervorgeht, beruht die Arbeiterversicherung in ihren grund-
legenden Bestimmungen durchaus auf Reichsrecht und ist daher an dieser Stelle nur insoweit
darzustellen, als es sich um die Organisation der Versicherung innerhalb Hessens und um
wichtigere landesrechtliche Ausführungsbestimmungen handelt. Die einschlägigen landesrecht-
lichen Vorschriften sind im wesentlichen nur Ausführungsbestimmungen zur Reichsgesetzgebung s).
Soweit die RVO. noch nicht in Kraft getreten ist und Ausführungsvorschriften von seiten
des Reichs und der Einzelstaaten noch nicht erlassen wurden, bestehen die früheren Gesetze
und Vollzugsbestimmungen zu Recht und sind daher hier kurz wiederzugeben.
I. Gemeinsame Vorschriften füralle Versicherungszweige!).
Die öffentlichen Behörden der Reichsversicherung sind die Ver-
sicherungsämter, die Oberversicherungsämter, das Reichsver-
sicherungsamt und die Landesversicherungsämterh). Soweit Vorschriften
der RVO. in Kraft treten, bevor Versicherungsämter und Obewersicherungsämter bestehen,
treten für die diesen Amtern zugewiesenen Aufgaben: Bei Spruchsachen an Stelle der Ver-
sicherungsämter die unteren Verwaltungsbehörden und an Stelle der Ober-
versicherungsämter die Schiedsgerichte; im übrigen die Behörden, welche die oberste
Verwaltungsbehörde bestimmt. Als „Höhere Verwaltungsbehörde“ fungiert teils das
Ministerium des Innemn, teils die Ministerialabteilung für Gesundheitspflege, teils das
Kreisamt bzw. die Obere Bergbehörde ). Oberste Verwaltungsbehörde im
Sinne der RVO. und des C. ist, soweit nicht vom Ministerium des Innern für den
Einzelfall etwas anderes angeordnet wird 7), dieses Ministerium.
II. Krankenversicherung?). 1. Organisation. Als weitere Kom—
1) Siehe Rl S. 1083, 1095, 1107 u. 1094.
2) Rol. 1911 S. 1130, 1132, 1138; 1912 S. 403 u. 527.
3) Vgl. v. Köbke, Leitfaden durch die soziale Versicherungsgesetzgebung mit besonderer
Berücksichtigung des Gr. H., Mainz 1904.
4) Siehe Allerh. Verordnung vom 16. XlI. 1911, die Ausführung der Reichsversicherungs-
ordnung betreffend, RBl. S. 587. Durch diese VO. wurde das Ministerium des Innern vom
Großherzog ermächtigt, „die von Uns oder mit Unserer Ermächtigung seither erlassenen Ver-
ordnungen zur Ausführung der reichsgesetzlichen Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherungs-
gesetz, aufzuheben oder abzuändern.“
5) R#BO. J35.— Bezüglich des hessischen Landesversicherungsamts vgl. unten II Ziff. 1 und
die vorbel Min Bek. * 21. XII. 1911, Abschn. IV über die Rechtsverhältnisse der Beamten des LB.
6) EG. Art. 7. — Dur die MB. die vorläufige Bestellung der Versicherungsbehörden
betreffend, v. 27. Nir 1911, RBl. S. 597. wurden für die Angelegenheiten der Invaliden= und
Hinterbliebenenversicherung, die keine Spruchsachen sind, vorläufig an Stelle der Versicherungs-
ämter die unteren Verwaltungsbehörden und an Stelle des Oberversicherungsamts das Groß-
herzogliche Landesversicherungsamt bestellt. An Stelle der Versicherungsvertreter hat das letztere
seine derzeitigen nichtständigen Mitglieder aus dem Stande der Arbeitgeber und der Ver-
sicherten zuzuziehen. Als untere Verwaltungsbehörden auf dem Gebiete der J. u. HV. haben
vorläufig in Städten mit über 20 000 Einwohnern die Bürgermeistereien, im übrigen die Kreik-
ämter zu fungieren. Mit Wirkung vom 1. X. 1912 wurden errichtet: Ein Oberver-
sicherungsamt als selbständige Staatsbehörde mit dem Sitz in Darmstadt. 23 VBer-
sicherungsämter bei den Kreisämtern und bei den Städten Darmstadt, Gießen, Mainz,
Offenbach, Worms. S. Bek. v. 31. VII. u. 8. VIII. 1912, RBl. S. 465, 467.
7) Vgl. z. B. die *°2 die Ausführung des Vierten Buches der RVO. beir., vom 21. XII.
1911, à8 S. 589, 81
8) Bis zum Inkrafttreten der einschlägigen Bestimmungen der RVO. (Buch II) und des
E. gelten vorläufig noch die eptsprewenden Vorschriften des Krankenversicherungsgese
v. 15. VI. 1883 (Röl. S. 73) i. d. F. v. 10. IV. 1892 (RBl. S. 379) und der G. v.
30. VI. 1900 (RBl. S. 332), 25. V. 503 (Röl. S. 233) u. v. 5. V. 1886 (Rl. S. 132).
Eiehe E. z. RO. Art. 5 nebst den landesrechtl. Anordnungen der Ausf#. v. 5. XII. 1892,
. XI. 1903 und der Bek. v. 4. I. 1897, 7. III. 1900, 31. VII., 8. VIII. 1912).