Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

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Landes-und Zentralbehörde ist das Ministerium des Innern; die den höheren 
Verwaltungsbehörden zugewiesenen Verrichtungen werden teils von dem Landes- 
versicherungsamt, teils von den Kreisämtern, teils — in den der bergpolizeilichen Aufsicht 
unterworfenen Betrieben — von der oberen Bergbehörde besorgt. Als untere Ver- 
waltungsbehörden fungieren in den Städten mit über 20 000 Einwohnern die 
Bürgermeister, anderwärts die Kreisämter bzw. Bergmeistereien, als Ortspolizei- 
behörden die Bürgermeistereien bzw. die besonders bestellten staatlichen Polizeiorgane. 
Die Entscheidung von Streitigkeiten über Entschädigungen auf Grund der Unfallversicherungs- 
gesetze obliegt den drei für den Bezirk je einer Provinz errichteten ursprünglich nur dem 
Zweck der Invalidenversicherung dienenden „Schiedsgerichten für Arbeiter 
versicherung"“ in Darmstadt, Gießen und Mainz. Diese bestehen aus je einem vom 
Ministerium des Innern ernannten öffentlichen Beamten bzw. dessen Stellvertreter als 
Vorsitzendem und aus mindestens 40 Beisitzern. Die letzteren werden von dem Ausschusse 
der Landesversicherungsanstqlt und zwar zu gleichen Teilen von den Vertretern der Arbeit- 
geber und der Versicherten gewählt. Zu den Sitzungen des Schiedsgerichts sind je zwei 
Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten beizuziehen. 
Das Landesversicherungsamt, welches in sich die Eigenschaft einer Spruch- 
behörde (Rekursinstanz gegenüber Entscheidungen der Schiedsgerichte) und einer Aussichts- 
behörde vereinigt, besteht aus drei, dem höheren Verwaltungsdienst angehörigen, ständigen 
Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden, und aus zwei richterlichen Mitgliedern, nebst Stell- 
vertretern, deren Stellen als Nebenämter auf Lebenszeit übertragen werden; ferner aus 
vier nicht ständigen Mitgliederm, von welchen zwei als Vertreter der Arbeitgeber, zwei als 
Vertreter der Versicherten gewählt sind, nebst Stellvertretern. Das Landesversicherungsamt 
ist unmittelbar dem Ministerium des Innem untergeordnet; letzterem obliegt auch in den ge- 
setzlich bestimmten Fällen die Verbescheidung von Beschwerden gegen Entscheidungen des 
Landesversicherungsamts. Dem Landesversicherungsamt unterstehen die Landesver- 
sicherungsanstalt Großherzogtum Hessen (s. hierüber unten sub IV) und die land- 
und forstwissenschaftliche Berufsgenossenschaft für das Großherzogtum 
Hessen. 
2. Land- und forstwirtschaftliche Unfallversicherungt). In 
Hessen ist die Unfallversichenung auf alle Unternehmer der unter § 1 des Reichsunfall- 
versicherungsgesetzes für Land= und Forstwirtschaft fallenden land= und forstwirtschaftlichen 
Betriebe, deren Sitz innerhalb des Großherzogtums belegen ist, ausgedehnt. Die Unter- 
nehmer dieser Betriebe haben ihren im Betriebe ohne Lohn oder Gehalt beschäftigten Familien- 
angehörigen, welche einen Unfall im Betriebe erleiden, während der ersten dreizehn 
Wochen die im Reichskrankenversicherungsgesetz v. 10. IV. 1892 § 6 Abs. 1 Ziff. 1 bezeichneten 
Krankenunterstützungen zu gewähren. Träger der Versicherung ist die land= und forst- 
wirtschaftliche Berufsgenossenschaft für das G. H., welche alle unter das Gesetz fallenden Be- 
triebe, einschließlich der auf Rechnung des hessischen Staates verwalteten, umfaßt. 
Die Organe der Genossenschaft sind die Genossenschaftsversammlung, 
bestehend aus je zwei von den Kreistagen aus den Kreiseingesessenen gewählten und aus drei 
vom Finanzministerium ernannten Mitgliedern, und der Vorstand. Der letztere besteht 
aus dem vom Ministerium des Innern nach Anhörung der Genossenschaftsversammlung er- 
nannten Vorsitzenden bzw. dessen Stellvertreter, fermer aus vier von der Genossenschafts- 
versammlung gewählten und einem vom Finanzministerium ernannten Mitgliede. Bezüglich 
der Vertrauensmänner besteht keine Besonderheit. Zur Entscheidung von Streitig- 
keiten über Unterstützungs= bzw. Ersatzansprüche nach § 29 l. u. forstw. UVWG. sind teils die 
Kreisämter, teils die Verwaltungsgerichte zuständig (AG. Art. 18). 
Die für die Zwecke der Berufsgenossenschaft aufzubringenden Beiträge werden 
vorbehaltlich anderweitiger statutarischer Regelung nach dem Steuerfuß, und zwar 
1) A. v. 10. V. 1902; VO. v. 31. V. 1902; Köbke S. 98ff. — Die übrigen Zweige 
der Unfallversicherung erfordern angesichts der geringfügigen landesrechtlichen Sondervorschriften 
hier keine besondere Betrachtung. S. aber das im Text nicht mehr berücksichtigte AG. v. 21. XII. 1912.
	        
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