Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

246 Die wirtschaftliche Verwaltung. 5 96 
  
Beaufsichtigung der Geschäfte des Kreisbauinspektors, dem namentlich die technische Be- 
ratung der Kreisorgane obliegt, steht dem Kreisrate zu. Die Kreise haben ferner für die er- 
forderliche Zahl von als Bauaufseher geprüften, als Kreisbeamte anzustellenden Kreis 
straßenmeistern und von geeigneten Kreisstraßenwarten zu sorgen. Die 
Provinz übt das ihr zustehende Aufsichtsrecht durch den Provinzialausschuß unter 
eventueller Beihilfe des technischen Referenten im Ministerium des Innern oder eines Kreis- 
bauinspektors der Provinz. Die staatliche Oberaussicht wird vom Ministerium des Innern 
unter Mitwirkung der Ministerialbauabteilung ausgeübt (Art. 34—40). 
III. Ortsstraßen, Gemeinde- und Gemarkungswege. Die Anlage 
und Unterhaltung der dem öffentlichen Gebrauch dienenden Feldwege, Ortsstraßen und 
sonstigen Verbindungswege innerhalb der Gemarkung obliegt, vorbehaltlich der bestehenden 
gesetzlichen Ausnahmen, grundsätzlich den Gemeinden und den Gemarkungs- 
inhabernt). — Bezüglich der Ortsstraßen im besonderen s. § 96 unter Bauwesen. 
§s 96. Bauwesen 2). I. Bauberechtigung und Bauvorschriften im 
allgemeinen (B0. Art. 1—3) MV. § 1—10. Die Regelung des Bauwesens beruht 
im wesentlichen auf dem Gesetz, die allgemeine Bauordnung betreffend, vom 30. April 1881, 
Rl. S. 71, mit den durch Gesetz vom 5. Oktober 1886, RBl. S. 129, und durch AG. z. 
BeB. vom 17. Juli 1899, NBl. S. 133, Art. 278 herbeigeführten Anderungen 2). Dieses 
Gesetz behandelt, dem Vorbilde der württembergischen allgemeinen Bauordnung vom 16. Ok- 
tober 1872 folgend, hauptsächlich die im öffentlichen Interesse getroffenen Beschränkungen 
der Baubefugnis, läßt dagegen — anders wie jene — die dem Privatrechte angehörigen nach- 
barrechtlichen Beschränkungen im allgemeinen unberührt. Der oberste Grundsatz des Gesetzes 
ist der, daß jeder Grundeigentümer vorbehaltlich der gesetzlich normierten, im öffentlichen 
Interesse gelegenen Beschränkungen die Befugnis hat, innerhalb der Grenzen seines Grund- 
eigentums nach seinem Ermessen zu bauen. Die Anforderungen des öffentlichen Interesses, 
denen das Gesetz Rechnung trägt, beziehen sich namentlich auf die Beschaffung neuer Bau- 
quartiere einerseits und auf die Verhütung allzu großer Straßenanlegungskosten für die Ge- 
meinden andererseits; ferner auf die Erleichterung und Sicherung des Verkehrs; auf die 
regelmäßige und gesunde Anlage der Orte und Häuser; auf die Wahrung gewisser ästhetischer 
Rücksichten; auf die Feuersicherheit, Festigkeit und Dauerhaftigkeit der Bauten; endlich auf 
die Verhütung von Benachteiligungen der Grundbesitzer in vereinzelten Fällen, wo bau- 
rechtliche Bestimmungen auf die nachbarrechtlichen Beziehungen von Einfluß sind"). 
Die hauptsächlichsten Beschränkungen der Baufreiheit finden sich in der allgemeinen 
Bauordnung und in vorbezeichneter Ausführungsverordnung 5), jedoch beziehen sich diese Be- 
stimmungen nur auf diejenigen Punkte, die in der Regel für das ganze Staatsgebiet gleich- 
mäßig in Betracht kommen. Die nach den Bedürfnissen der einzelnen Gemeinden erforder- 
lichen besonderen Bestimmungen können je nach der Natur der betreffenden Frage entweder 
in „Ortsstatuten“" oder in „,olizeilichen Ordnungen“ („Lokalpolizei- 
reglements) erlassen werden. In Ortsstatuten sind „Angelegenheiten der Gemeinde, 
1) Kunststraßengesetz Art. 32. 
2) Literatur: LV. II. 1879/81 Beil B. 1 Beil. 70 S. 1, 71 S. 1—40 (Gesetzesvorlage 
betr. Allg. Bauordnung), Beil. 72 S. 1—100 (Motive); bezugich der Kammerverhandlg. im ein- 
zelnen s. Repertorium 1879/80 S. 11—14.— Pief Die allgem. Bauordnung, I. Teil, Mainz 
1883, II. Teil 1890, III. Teil 1895; Zeller, I. S. 266ff. u. Erg.-Bd. S. 63; Glässing, Die 
Bauordnung, IV. Teil (Gesetzesänderungen, Lokalbauvorschriften usw. enthaltend), 1906. — 
Zeller, Handbuch 1 S. 266 ff.; Cosack S. 108 ff.; Hess. Bürgerbuch S. 234—245, 
und namentlich die eingehende neueste Darstellung des hessischen Bauwesens (Bauverwaltung, 
Baugewerbe, Baupolizei) von Glässing i. v. Stengel-Fleischmann WB. I S. 339—346. — 
u Natte reGlässing betr. Rev. d. Allg. BO. LV. II 05/8 Prot. I 51, D. II 121; 
r. 2619 
3) Siehe auch AusfVO. v. 1. II. 1882, RBl. S. 29, mit Anderungen vom 29. XI. 1884, 
Rl. S. 299; 18. VII. 1887, RBl. S. 137; 21. X. 1893. RBl. S. 269. 
4) Pfaff S. 15. LV. II 1879/81 Beil. 1, Beil. 72 (Motive) S. 12. 
5) Bezüglich einiger weiterer reichsrechtlicher und landesrechtlicher Beschränkungen s. AV. 5S1.
	        
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