Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

256 Die wirtschaftliche Verwaltung. 8 99 
gemeinschaft mitverwaltet 1). Bei der genannten Eisenbahndirektion wird eine Mitgliedsstelle 
von der badischen Regierung besetzt. Für die Verwaltung der Main-Neckar-Bahn gelten, 
soweit nichts anderes vereinbart ist, die durch den vorbez. Staatsvertrag vom 23. Juni 1896 
für die Gemeinschaftsverwaltung vereinbarten Verwaltungs- und Etatsgrundsätze (Art. 1). 
Die Einkünfte aus dem Betriebe der Main-Neckar-Bahn werden in der Weise zwischen Baden 
und der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft verteilt, daß Baden die Verkehrseinnahmen 
der auf seinem Gebiete gelegenen Strecken erhält und davon als seinen Anteil an den Ausgaben 
der Main-Neckar-Bahn denjenigen Prozentsatz erstattet, der sich aus dem Verhältnis der 
Jahresausgaben zu den Jahreseinnahmen (Betriebskoeffizient) bei der hessisch-preußischen 
Eisenbahngemeinschaft ergibt. Eine Finanzgemeinschaft zwischen Baden und der preußisch- 
hessischen Eisenbahngemeinschaft findet also nicht statt (Art. 8)2). Bezüglich der Tarife ist im 
wesentlichen Baden für seine, die Eisenbahngemeinschaft für ihre Strecke selbständig zuständig 
(Art. 7).— Die Ausübung der Hoheitsrechte ist ebenso wie in dem Gemeinschaftsvertrag 
von 1896 geregelt (Art. 11). 
III. Nebenbahnenz)y. Die Anlage und der Betrieb von Nebenbahnen, welche 
mittelst Dampfkraft oder anderer mechanischer Motoren betrieben werden sollen, bedarf landes- 
herrlicher Genehmigung "). Hierbei kann sich die Regierung namentlich vorbehalten die Fest- 
stellung der Bahnlinie, der Stationen, der Projekte für bauliche Anlagen und für die Betriebs- 
mittel, die Genehmigung des Fahrplans und der Tarife, endlich die Aufsicht über Ausführung 
und Betrieb der Bahn und den Erlaß besonderer Vorschriften für Bau und Betrieb der Bahn 
(Art. 1, 10). 
Unter bestimmten, vom Gesetz fixierten Voraussetzungen kann solchen Nebenbahnen, 
welche den Lokalverkehr mit einer bestehenden Hauptbahn vermitteln oder mehrere Haupt- 
bahnen verbinden, nach näherer spezialgesetzlicher Anordnung für jeden Einzelfall eine st aat- 
liche Beihilfe gewährt werden (Art. 3 ff.). Besteht diese Beihilfe in der Ubernahme 
des Bahnbaus und Setriebs, so kann von den Interessenten der Bahn (beteiligten 5) Kom- 
munalverbänden und Privaten) die kostenlose ÜUberweisung des Grundes und die Leistung 
eines Geldbeitrags zu den Baukosten beansprucht werden (Art. 5). Die Benutzung bestehender 
Straßen kann insoweit gestattet werden, als dies ohne Gefährdung und erhebliche Beeinträch- 
tigung des sonstigen Straßenverkehrs möglich ist (Art. 11). Im Falle völliger oder partieller 
Unterbrechung des Bahnbetriebes und im Falle sicherheitsgefährdenden Zustandes des Geleises 
oder des sonstigen Betriebsmaterials ist der Staat zur vorläufigen Fortführung des Betriebes 
und eventuell zur Konzessionsentziehung sowie zum Verkauf der Bahn und zur übertragung 
der Betriebsbefugnis an den neuen Eigentümer berechtigt (Art. 19). Wenn eine Nebenbahn 
nach Ansicht der Regierung oder des Reichseisenbahnamts nicht mehr unter die Kategorie 
der Eisenbahnen „untergeordneter Bedeutung“ fällt, so ist der Unternehmer verpflichtet, die 
Bahn auf Verlangen der Regierung zu einer „Hauptbahn“ umzugestalten oder das Eigentum oder 
den Betrieb der Bahn oder beides an einen etwaigen anderen Unternehmer abzutreten (Art. 21). 
6 99. Post-= und Telegraphenwesen. Die erste öffentliche Landespost in Hessen war 
eine Einrichtung des hessischen Staates. Neben dieser durch Dekrete von 1627, 1730, 1731 
und 1803 näher geregelten staatlichen Post unterhielt die fürstliche Familie von Thurn und 
1) Hinsichtlich der Beamten s. Gesetz v. 12. VII. 1902 (RBl. S. 325), durch welches das 
obenbez. Gesetz v. 26. III. 1897 auch auf die Beamten der Main-Neckarbahn ausgedehnt wurde. 
2) Siehe LV. II 1900/3 Drucks. B. 6 Nr. 874 (Ausschußbericht Jöckel) S. 5. 
3) Gesetz vom 29. Mai 1884, RBl. S. 51, mit Ausf O. v. 13. VI. 1885 (RBl. S. 123).— 
S. auch Glock u. Lehr S. 175. — Außer den oben (unter 1) angeführten Staatseisenbahnen 
besaß Hessen im Jahre 1909 noch 221 km private Nebenbahnen, die von privaten Verwaltungen, 
wie der Süddeutschen Eisenbahngesellschaft, der Butzbach-Licher Eisenbahnaktiengesellschaft, der 
Etiengeiellschaft Binger Nebenbahnen oder von Städten betrieben wurden (s. Hess. Bürgerbuch 
4) Bezüglich der Verleihung des Enteignungsrechts an Private und Privatgesellschaften 
zu Eisenbahnunternehmen s. # 69. 
5) Bezüglich des Begriffs „beteiligt“ s. Cosack S. 121 und die dort kritisierte Entschdg. 
des VG#H., Zeitschrift f. Staats- u. Gemeindeverwaltung in Hessen 11 S. 84.
	        
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