Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

260 Die wirtschaftliche Verwaltung. 8 101 
  
haben, welche, abgesehen von den im Gesetze für die verschiedenen Arten von Kassen aufge- 
stellten besonderen Vorschriften (Art. 10—30) namentlich über die Verwaltung und die Ver- 
tretung der Kasse, über die Kassen- und Rechnungsführung, über die Anlegung des Spar- 
kassenvermögens 1) und über die Berechnung und Verwendung des Reingewinns Bestimmung 
treffen muß. Zur Deckung von Verlusten ist eine Rücklage in der Höhe von mindestens 
10% des gesamten Guthabens der Einleger zu bilden; ein Zehntel dieser Rücklage darf in 
Aktien der hessischen Landeshypothekenbank angelegt werden. Für die Beitreibung ihrer 
Forderungen genießen die öffentlichen Sparkassen ähnliche Vergünstigungen wie die Ge- 
meinden; ihre Urkunden gelten unter bestimmten Voraussetzungen als öffentliche (Art. 4—9)2). 
Zu Ende des Jahres 1909 besaß Hessen 32 öffentliche und 10 sonstige Sparkassen. Bei 
den ersteren belief sich die Zahl der Einleger auf 282 650 mit einem Guthaben von 326 183 595 Mk. 
und mit 511 588 Mk. Verwaltungskosten; bei den letzteren lauten die entsprechenden Zahlen 
9824 — 10 926 049 — 26 557. Die Überweisungen für kommunale und andere Zwecke betragen 
bei den öffentlichen Sparkassen 731 013, bei den sonstigen Sparkassen 8263 Mk. 3). 
II. Die hessische Landeshypothekenbank“). 1. Organisation. 
Die im Jahre 1902 von dem hessischen Staate in Gemeinschaft mit hessischen Gemeinden, 
Kommunalverbänden und öffentlichen Sparkassen in der Form einer Aktiengesellschaft er- 
richtete Landeshypothekenbank zeigt in ihrer Organisation eine gewisse Ahnlichkeit mit der 
Reichsbank. Ohne den Charakter eines Staatsinstituts zu besitzen, steht sie doch unter Leitung 
des Staates, genießt staatliche Zinsgarantie 5), Mündelsicherheit ihrer Papiere, Zwangsbei- 
treibung ihrer Forderungen im Verwaltungswege, Offentlichkeit ihrer Urkunden, einen gesetz- 
lich näher präzisierten Anspruch auf Informationserteilung gegenüber Staats- und Gemeinde- 
behörden und -beamten, Befreiung von Staats- und Gemeindesteuern und Verwaltung durch 
Beamte, denen die Rechte und Pflichten der unmittelbaren Staatsbeamten zuerkannt sind F. 
Der Vorstand wird von der Generalversammlung gewählt und durch großherzogliches 
Dekret angestellt; die Anstellung der übrigen Beamten erfolgt auf Vorschlag des Vor- 
standes durch den Aufsichtsrat. Derletztere besteht aus 7 Mitgliedern und wird auf 3 Jahre 
von der Generalversammlung gewählt; mindestens 3 Aussichtsratsmitglieder sollen aus den 
Vertretern der beteiligten Kommunalverbände und Sparkassen gewählt werden. Zum Zwecke 
der Mitwirkung bei der Gewährung von Bankdarlehen wählt der Aufsichtsrat eine mindestens 
dreigliedrige Beleihungskommission. In der Generalversammlung 
führt derjenige den Vorsitz, der den Fiskus als Aktionär vertritt. Die Generalversammlung hat 
einen dreigliedrigen Revisionsausschuß zur Prüfung der Bilanz zu bestellen. Weitere 
Kontrollbefugnisse liegen in der Hand des Treuhänders. Die Gewährung aller Dar- 
lehen und die Festsetzung der für den Vertrieb der Schuldverschreibungen zu gewährenden 
Bonifikationen usw. bedarf der Zustimmung des Staatskommissars. Diesem steht 
zugleich ein Einspruchsrecht gegen die Beschlüsse des Vorstandes und des Aufsichtsrates zu. 
— 
1) Die Anlegung in Schuldverschreibungen des hess. Staates oder der Landeshypotheken- 
bank ist zulässig und darf durch die Satzung nicht ausgeschlossen werden (Art. 5). 
2) Uber das Verhältnis der Sparkassen zu der hess. Landeshypothekenbank vgl. nament- 
lich Biermer S. I7 ff.; Troeltsch S. 208ff. 
3) Siehe Mitteilungen d. Zentralstelle f. d. Landesstatistik Nr. 910 vom März 1911, S. 106f. 
4) Vgl. Gesetz, die Errichtung einer hessischen Hypothekenbank betr. vom 12. Juli 1902, 
RBl. S. 257; Braun a. a. O. S. 51—100; Biermer a. a. O. S. 26 ff.; Trveltsch 
a. a. O. S. 203—219; Flachsbarth, Die hessische Landeshypothekenbank und ihre bisherige 
Entwicklung, Gieß. Diss. 1908. Bezüglich des Verhältnisses der Sparkassen zur Landeshypotheken- 
bank s. auch Runkel, a. a. O. S. 42 ff. — S. ferner die AusfBek. zu vorbez. Ges. nebst Gesell- 
schaftsvertrag v. 17. 1. 1903 (RBl. S. 23), sowie die Bek. v. 20. IV. 1904, RBl. S. 162, u. v. 
26. IV. 1907, RBl. S. 271. Bezüglich der neueren Entwicklung der Landeshypothekenbank vgl. 
namentlich deren alljährliche Geschäftsberichte. 
5) Gesetz v. 19. XII. 1903, RBl. S. 97. 
6) Die Besoldungen, Pensionen, Hinterbliebenenversorgung und sonstigen Bezüge der 
Hypothekenbankbeamten sind aus dem Ertrag des Instituts zu bestreiten. Im Falle der Auf- 
lolung der Gesellschaft übernimmt der Staat die Beamtenpensionen und die Hinterbliebenen- 
versorgung.
	        
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