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Landwirtschaft, Handel und Gewerbe, welche der unmittelbaren Leitung
des Ministeriums unterstellt ist 1). Diese besteht aus dem Referenten für die genannten drei
Ressorts als Vorsitzendem und aus zwei zum höheren Justiz-- oder Verwaltungsdienst be-
fähigten Räten, von welchen der eine die Stellvertretung des Vorsitzenden in Angelegenheiten
der Landwirtschaft, der andere die Stellvertretung in Sachen des Handels und des Gewerbes
zu besorgen hat. Hierzu kommen — wenn wir von den besonderen Organen für die beiden letzt-
genannten Ressorts absehen — noch zwei in Angelegenheiten der Landwirtschaft tätige tech-
nische Mitglieder. Der Ministerialabteilung obliegt, insoweit nicht eine ausschließliche Zu-
ständigkeit des Ministeriums begründet ist 2), unter der Oberaussicht des letzteren die selbständige
Erledigung aller Angelegenheiten der Landwirtschaft. Hierher gehört namentlich die obere
Leitung des landwirtschaftlichen Versuchs- und Unterrichtswesens, des Bodenmeliorations=
und des Wassewersorgungswesens, die Aufsicht über das Landgestüt, die Wahrnehmung des
Staatsinteresses bei den landwirtschaftlichen Interessenvertretungen und Genossenschaften,
und endlich die Bearbeitung des landwirtschaftlichen Kredit= und Versicherungswesens.
Von dem Vorsitzenden der Ministerialabteilung oder dessen Stellvertreter für das Land-
wirtschaftsressort sind unter Zuziehung der beiden genannten technischen Mitglieder zugleich
die Obliegenheiten der fachlichen Zentralbehörde in Sachen des Bach-
gesetzes und des Landeskulturgenossenschaftsgesetzes, sowie die Funk-
tionen der Landeskommission in Feldbereinigungssachen wahrzu-
nehmen. Bei der letzteren Tätigkeit hat auch noch ein vom Ministerium zu bestellender richter-
licher Beamter mitzuwirken; außerdem gehören der letztgenannten Kommission und der fach-
lichen Zentralbehörde im Sinne des Bachgesetzes noch drei nichtständige gewählte Mitglieder,
nebst Stellvertretern, aus dem Kreise der landwirtschaftlichen Berufe an ?). — Uber die
Organisation des kulturtechnischen Dienstes und des Feldbereinigungswesens s. im übrigen unten.
II. Berufsständische Vertretungt). Zur Unterstützung und Ergänzung
der behördlichen Tätigkeit wurde durch das Gesetz, die Landwirtschaftskammer betreffend,
vom 16. V. 1906 (Rl. S. 143) eine berufsständische Vertretung der Landwirtschaft geschaffen.
Die wesentlichsten Bestimmungen des Gesetzes 5) sind folgende:
1. Sämtliche hess. Landwirte (d. s. Eigentümer, Nutznießer und Pächter landwirtschaftlich
genutzter Grundstücke mit einem im Großherzogtum gelegenen eigenen Vermögen an land-
wirtschaftlich genutztem Grundbesitz oder an landwirtschaftlichem Betriebskapital im Wert
von wenigstens 3000 Mk.) bilden einen Berufsverband, dessen Interessen in einer
durch die Verbandsangehörigen zu wählenden Landwirtschaftskammer vertreten
werden. Die letztere hat die dem Verbande in seiner Eigenschaft als Körperschaft des öffent-
lichen Rechts zustehenden Rechte auszuüben s). Die Landwirtschaftskammer hat
die Aufgabe, die landwirtschaftlichen Interessen zu wahren und zu
fördern und besitzt namentlich das Recht, Anträge und Vorschläge an die
Regierung zurichten, Vertreter zu denjenigen Einrichtungen und Körper-
schaften zu bestellen, die den Interessen der Landwirtschaft dienen oder nahestehen (Produkten-
börsen, Märkte, Ausstellungen, Eisenbahnrat, Deutscher Landwirtschaftsrat usw.), die
Regierung zu beraten und endlich auf denjenigen Gebieten, auf welche sich die staatliche Für-
sorge nicht erstreckt, durch ihre eigenen Organe zur Hebung der Landwirtschaft
dienliche Einrichtungen zutreffen. Die Landwirtschaftskammer ist verpflichtet,
der Regierung alle fünf Jahre über die gesamten landwirtschaftlichen Zustände des Landes
1) VO. v. 17. I. 1900.
2) In diesem Falle beschränkt sich die Zuständigkeit der Ministerialabteilung auf die vor-
läufige Bearbeitung, Begutachtung und Vortragserstattung.
3) Siehe Hof= und Staatshandbuch 1912/13 S. 159; vgl. auch unten II, 2.
4) Siehe Gesetz über die Landwirtschaftskammer und seine Ausführung, Amtl. Handausgabe
mit Motiven, Erläuterungen und Sachregister, bearb. v. Hölzinger, Darmstadt 1906.
5) Siehe auch die Ausführungsvorschriften vom 16. V. 1906, RBl. S. 156.
6) Die Fassung des Gesetzes (Art. 2), wonach die Landwirtschaftskammer selbst als Körper-
schaft erscheint, ist unzutreffend (vgl. amtl. Handausg. S. 6).