Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

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kultur erzielt wird, wenn mehr als die Hälfte des beteiligten Grundbesitzes sich für das Unter- 
nehmen erklärt hat, und wenn das Unternehmen nur bei Ausdehnung auf das Grundeigentum 
der widersprechenden Grundbesitzer zweckmäßig ausgeführt werden kann. Die Möglichkeit 
des Eintrittszwanges fällt jedoch hinsichtlich solcher Grundstücke weg, für welche das Unter- 
nehmen eine erhöhte Ertragsfähigkeit nicht in Aussicht stellt oder deren besondere Benutzungs- 
art für den Eigentümer von größerem Vorteil ist, als die durch das Unternehmen beabsichtigte 
Verbesserung. Das Unternehmen unterbleibt, wenn vier Fünfteile der beteiligten Grund- 
besitzer demselben widersprechen (Art. 53). Zugunsten der zur Vorbereitung einer öffentlichen 
Genossenschaft erforderlichen Vorarbeiten muß sich der Grundbesitzer bestimmte Beschränkungen 
in der Eigentumsbenützung gefallen lassen. Bei Be= und Entwässerungsunternehmungen 
können die Beteiligten im Falle nachweisbaren überwiegenden Nutzens des Unternehmens 
für die Landeskultur nach vorangegangener Entschädigung zur Abtretung von Grundeigentum, 
Duldung der Belastung mit Dienstbarkeiten usw. gezwungen werden (Art. 58, 71). Die Auf- 
sicht über die Wassergenossenschaften und die Genehmigung der Anlagen steht der fachlichen 
Zentralbehörde zu s. oben unter I). 
Bezüglich der Kreditgewährung für Zwecke landwirtschaftlicher Kulturunter- 
nehmungen s. § 101. 
4. Fürsorge für die landwirtschaftliche Produktion; s. hierüber 
unter Tierzucht, Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei, Bekämpfung von Seuchen. Bezühlich des 
Pflanzenschutzes s. die eingehenden Vorschriften des Ministeriums des Innemn über 
den Pflanzenschutzdienst vom 31. Oktober 1908, RBl. S. 270. Eine Reihe besonderer staat- 
licher Vorschriften und Maßnahmen gelten speziell der Bekämpfung der Reblaus und anderer 
Rebenschädlinge; s. hierüber die Hinweise bei Reh-Heyer-Gros, Gesetz-Sammlg., 
Sachreg. zu Bd. IV—IX, S. 26. 
5. Landwirtschaftliches Versicherungswesen; (. hierüber unter 
Arbeitewersicherung, Feuer-, Hagel- und Viehversicherung Is 90—93. 
6. Landwirtschaftliches Unterrichtswesen: s. hierüber unter Unter- 
richtswesen, namentlich § 110. 
§& 103. Tierzucht. Die Fürsorge des Staates für die landwirtschaftliche Tierzucht äußert 
sich teils in gesetzgeberischen Maßregeln, teils in Maßnahmen der Verwaltung, und bezweckt 
teils positive Förderung, teils die Abwendung von Gefahren. 
I. Rindvieh-, Schweine= und Ziegenzuchtt). 1. Nach dem Gesetz 
über das Faselwesen vom 7. August 1901, RBl. S. 1901 mit AusfAnweisung vom 
30. I. 1902 sind die Gemeinden verpflichtet, die für die Rindvieh-, Schweine= und Ziegenzucht 
erforderlichen Faseltiere eigentümlich zu erwerben und möglichst auch in eigener Wartung 
zu halten. Ausnahmen sind nur statthaft, wenn entweder durch Zuchtvereine, privatrechtliche 
Verpflichtungen oder freiwillige Leistungen Dritter in genügender Weise für das Vorhanden- 
sein von Faseltieren gesorgt ist, oder wenn hierin, vorbehaltlich der Möglichkeit eines Zusammen- 
wirkens mehrerer Gemeinden, nach der Bedeutung der Viehzucht hinsichtlich der fraglichen 
Tiergattung für eine Gemeinde eine unverhältnismäßige Belastung liegen würde. Über die 
Frage, ob eine Gemeinde von der Verpflichtung zur Faselhaltung ganz oder teilweise ent- 
bunden werden kann, entscheidet der Kreisausschuß. 
Der Hauptzweck des Gesetzes liegt in der zwangsweisen Herbeiführung der Einheit- 
lichkeit der Zuchtrichtung in den Gemeinden: Innerhalb einer Gemeinde sollen 
in der Regel Faseltiere verschiedener Rasse nicht nebeneinander gehalten werden. Über die zu 
wählende Zuchtrichtung beschließt nach Anhörung der Viehbesitzer vorbehaltlich der Beschwerde 
an den Kreisausschuß der Ortsvorstand. Ein Wechsel in der einmal festgesetzten Zuchtrichtung 
ist nur aus züchterischen oder wirtschaftlichen Gründen und nur mit kreisamtlicher Genehmigung 
zulässig. Zum Bedecken fremder Muttertiere dürfen nur solche Faseltiere zugelassen werden, 
für welche hierzu die kreisamtliche Erlaubnis erteilt ist. Die Erlaubniserteilung erfolgt auf 
Antrag der Körkommission durch Genehmigung des von seiten der Kommission aus- 
1) Thelen, Die Rindviehzucht i. Gr. H., Gieß. Diss. 1903. 
 
	        
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