16 Die natürlichen Grundlagen des Staatswesens. Die Bevölkerung des Staates. 8 11
sich auf die Regelung des Verfahrens und der Zuständigkeit. Aufnahme und Entlassung
geschehen durch das örtlich zuständige Kreisamt, Naturalisation und Entziehung der Staats-
angehörigkeit durch das Ministerium des Innern.
Die wichtigsten Bestimmungen des deutschen Staatsangehörigkeitsgesetzes, bezüglich
dessen im übrigen auf die Darstellung Labands im I. Bande dieses Handbuchs verwiesen
werden muß, sind die folgenden:
Die einzelstaatliche Staatsangehörigkeit und durch sie die Reichsangehörigkeit (§ 1) wird
nach Maßgabe der allegierten Vorschriften des Staatsangehörigkeitsgesetzes erworben:
1. durch Abstammung, d. h. eheliche Kinder erwerben die Staatsangehörigkeit des Vaters,
uneheliche diejenige der Mutter, und zwar — ebenso wie schon nach dem Rechte der HV.
Art. 14 — ohne Rücksicht auf den Ort der Geburt (§ 2 Ziff. 1, 3 3); 2. durch Legitimation, d. h.
das legitimierte Kind erwirbt die Staatsangehörigkeit des legitimierenden Vaters (§ 2 Ziff. 2,
#§* 4); 3. durch Verehelichung, d. h. die Frau erwirbt den Stand des Mannes (§ 2 Ziff. 3, § 5);
4. durch staatliche Verleihung, welche, wenn es sich um einen Deutschen handelt, als „Auf-
nahme“, andermfalls als „Naturalisation“ bezeichnet wird (§s§ 6—11); 5. durch Anstellung im
Staats-, Kirchen-, Schul= oder Gemeindedienst beim Vorliegen der besonderen gesetzlichen
Voraussetzungen (St AG. §§ 9—11).
Die Staatsangehörigkeit wird nach näherer Bestimmung der allegierten Gesetzes-
paragraphen verloren: 1. durch Legitimation, wenn der Vater eine andere Staats-
angehörigkeit besitzt als die Mutter (§ 13 Ziff. 4); 2. durch Verehelichung, wenn die Ehefrau
vor der Verheiratung eine andere Staatsangehörigkeit besaß wie der Ehemann (§ 13 Ziff. 5);
3. durch Entlassung auf Antrag, sei es zum Zweck der Übersiedlung in einen anderen Bundes-
staat, sei es zum Zweck der Auswanderung (§ 13 Ziff. 1; 38 14, 14 a, 15, 17, 18, 19); 4. durch
förmlichen Verwirkungsausspruch wegen verbotswidrigen Verbleibens im Ausland (§ 20)
oder in ausländischem Staatsdienst (§ 22); 5. durch zehnjährigen bzw. fünfjährigen Aufenthalt
im Auslande (7* 21).
Die Verleihung der Staatsangehörigkeit und ebenso der Verlust der Staatsangehörig-
keit wegen Entlassung aus dem Staatsverband oder zehnjährigen Aufenthalts im Ausland
erstreckt sich vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen auch auf die Ehefrau und diejenigen Kinder,
deren gesetzliche Vertretung dem die Staatsangehörigkeit Erwerbenden bzw. Verlierenden
kraft elterlicher Gewalt zusteht (§§ 11, 19, 21)
Der Besitz der hessischen Staatsangehörigkeit begründet, ebenso wie gegenüber dem
Reiche, auch gegenüber dem hessischen Staate vor allem diejenigen Rechte und Pflichten, welche
im vorstehenden Paragraphen als allgemeine Folgen der Reichsangehörigkeit angeführt
wurden. Zugleich hat der hessische Staatsangehörige gegenüber seinem Heimatstaate noch
eine Reihe von besonderen Rechten und Pflichten, an denen der nichthessische Reichsangehörige
nicht teilnimmt. Hierher gehört besonders die Fähigkeit zur Erlangung des ohne vorherigen
Staatsangehörigkeitserwerb unerreichbaren aktiven und passiven Wahlrechts zur zweiten
Kammer sowie zum Eintritt in die erste Kammer nach Maßgabe des Landstände-Gesetzes
vom 3. Juni 1911, Artikel 2, 3, 5, 6, 10 und 12; femer die Zulassung zu bestimmten
Ehrenämtern 1) und zum Erwerbe des Ortsbürgerrechts 2) 3).
Als spezifische Pflichten des hessischen Staatsangehörigen sind im wesentlichen nur die
in Art. 30 HV. genannten, durch die Verfassung nicht näher präzisierten „staatsbürgerlichen
Verbindlichkeiten“ zu nennen"); dieselben bestehen, nachdem zahlreiche staatsbürgerliche
Pflichten, die früher nur den Hessen oblagen, durch die neuere Gemeindegesetzgebung allen
1) Wie z. B. zum Amte des Bürgermeisters oder Beigeordneten einer Landgemeinde
à#2 Art. 70) und eines unbesoldeten Beigeordneten einer Stadtgemeinde (StO. Art. 70
2) LGO. Art. 24, 27, St O. Art. 24, 27.
3) Vgl. hieher: Waldecker, Das Ortsbürgerrecht im Großherzogtum Hessen. An Hand
der geschichtlichen Entwicklung dargestellt, Gießener Dissertation, Friedberg 1911.
4) Die sogenannten „staatsbürgerlichen“ Verbindlichkeiten des Art. 30 HB. haben mit dem
„Staatsbürgerrecht" im Sinne des Art. 14 a. a. O. nichts zu tun.