Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

286 Die geistige Verwaltung. 8 111 
  
  
der staatlichen Hochschulen und, vorbehaltlich des Vorhandenseins der sonstigen rechtlichen 
Voraussetzungen, zur Ablegung der medizinischen und pharmazeutischen Prüfungen, sowie 
der Prüfungen für den höheren Staatsdienst 1). Die Absolvierung der ersten sechs Klassen 
gewährt regelmäßig die Befähigung zum einjährig-freiwilligen Dienst. 
II. Die Realschulene) (9) und Progymnasien (2) haben 7 Jahreskurse; 
sie entsprechen, abgesehen von dem Fehlen der beiden letzten Jahreskurse, hinsichtlich ihrer 
Unterrichtsziele den Oberrealschulen bzw. den Gymnasien. Der erfolgreiche Besuch ihrer 
Obersekunda gewährt die Befähigung zum einjährigfreiwilligen Dienst; gleiche Befähigung 
kann auf Grund einer besonderen Prüfung auch schon nach dem Besuch der Untersekunda 
zuerkannt werden. 
Der Aufwand für die Gymnasien und die Realanstalten wird, abgesehen von den 
Schulgeld- und anderen Einnahmen, teils vom Staat, teils von den Gemeinden bestritten. 
Vom Jahre 1901/02 bis 1909 ist der Jahresaufwand des Staates hierfür von rund 827 000 Mit. 
auf rund 1 149 000 Mk. gestiegen 3). Die Gymnasien sind durchgehends Staatsanstalten, 
die übrigen vorgenannten Schulen sind teils Staats-, teils Gemeindeanstalten, stehen aber 
alle unter der Aufsicht der oberen Schulbehörde. Zur Anstellung als wissenschaftlicher Lehrer 
an diesen Schulen wird nur zugelassen, wer die Prüfung für das höhere Lehramt bestanden 
hat "#). Die Leitung dieser Anstalten führt je ein Direktor, der zur Beratung wichtiger 
Angelegenheiten Lehrerkonferenzen beruft. 
III. Die höheren Bürgerschulenz), welche aus den in dem Volksschulgesetz 
(Art. 18) vorgesehenen sog. „erweiterten Volksschulen" hervorgegangen sind, 
haben die Aufgabe, eine über die Ziele der Volksschule hinausgehende Schulbildung zu gewähren 
und ihre Schüler gegebenenfalls zum späteren Ubertritt in höhere Lehranstalten vorzubereiten. 
Ihr Lehrplan soll sich an die Lehrpläne der Realschulen bzw. der höheren Mädchenschulen 
anschließen. Die Aufnahme der Schüler findet in der Regel erst nach vollendetem dritten 
Schuljahre statt. 
Die Errichtung der höheren Bürgerschulen erfolgt vorbehaltlich der Genehmigung des 
Ministeriums des Innern durch die Gemeinden und auf deren Kosten, jedoch trägt der Staat 
in Form von einmaligen Bewilligungen an besonders bedürftige Gemeinden und von bestimmten 
dauernden Zuschüssen einen Teil des erforderlichen Aufwandes. Die Verwaltung obliegt 
einem Kuratorium, welches regelmäßig aus dem Leiter der Anstalt, dem Bürgermeister 
und mehreren von der Gemeindevertretung gewählten Mitgliedern besteht. Die Lehr- 
kräfte haben teils akademische, teils seminaristische Vorbildung und werden ebenso wie 
der Leiter der Anstalt mit ministerieller Genehmigung von der oberen Schulbehörde ernannt. 
Die definitive Anstellung der Lehrer und Lehrerinnen erfolgt durch den Großherzog. 
Bezüglich ihrer Gehaltsverhältnisse sind die akademisch gebildeten 
Lehrer an den höheren Bürgerschulen den gleichalterigen Lehrern an den staatlichen höheren. 
Lehranstalten gleichgestellt, während die seminaristisch gebildeten Lehrer und Lehre- 
rinnen nach den Vorschriften des jeweils geltenden Gesetzes über die Gehalte der Volksschul- 
  
1) Zur theologischen Prüfung werden nur Gymnasialabsolventen zugelassen. 
2) Sie entsprechen den früheren „Realschulen zweiter Ordnung“. 
3) Siehe Balser, Ergebnisse des Staatshaushalts 1909 usw., in Mitteilungen d. Zentral- 
stelle f. Lst., 1911 Nr. 909 . 75. 
4) VO. v. 8. I. 1908, RBl. S. 1. 
5) Vgl. Bek. v. 27. VIII. 1897 u. v. 29. X. 1897, RBl. S. 177 u. 191; G., die höheren 
Bürgerschulen betreffend, v. 11. V. 1901, RBl. S. 359. — Von den zurzeit bestehenden höheren 
Bürgerschulen reichen die meisten bis zur Grenze des schulpflichtigen Alters und können ihrem 
Lehrplane nach als unvollständige Real= oder höhere Mädchenschulen betrachtet werden; ein 
Teil nimmt nur Mädchen auf, die Mehrzahl wird von Knaben und Mädchen besucht. Sechs von 
den höheren Bürgerschulen gewähren die wissenschaftliche Befähigung zum einjährig-freiwilligen 
Dienst (ogl. Bürgerbuch S. 109 fh. Im Jahre 1911 bestanden 32 „höhere Bürgerschulen“ 
und 6 „höhere Mädchenschulen“, sowie 13 „Vorschulen der höheren Bürgerschulen“ (s. Mitteilungen 
der Zentralstelle f. Lst. Nr. 922).
	        
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