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lehrer, die Vergütungen der Schulverwalter und der Schulverwalterinnen nach den in der
betreffenden Gemeinde an der Volksschule bestehenden Sätzen zu behandeln sind 1).
Hinsichtlich der Disziplinarverhältnisse der Lehrer und Lehrerinnen an
den höheren Bürgerschulen finden die Vorschriften des Artikels 2, Abs. 2 des Gesetzes vom
21. April 1880, die Disziplinarverhältnisse der nichtrichterlichen Staatsbeamten betreffend,
Anwendung2).
Die Befugnisse der unmittelbar unter der Ministerialabteilung für Schulangelegen-
heiten stehenden Schulleiter umfassen namentlich die Regelung aller den Unterrichtsbetrieb
betreffenden inneren Angelegenheiten, und die Aufsicht über die Dienstführung der Lehrer
und über die Ausführung der allgemeinen Schulgesetze sowie des besonderen Lehrplans. —
Die Aufsicht über die höheren Bürgerschulen und das Recht zum Erlaß allgemeiner
rechtsverbindlicher Normen über alle die Schule betreffenden Angelegenheiten
steht der vorbezeichneten Ministerialabteilung zu 2).
IV. Die höheren Mädchenschulen im weiteren Sinne. Die Er-
richtung höherer Mädchenschulen ist den Gemeinden überlassen; die Voraussetzungen für die
Anstellung an solchen Schulen sind jedoch staatlich geregelt #). Bezüglich des bisherigen Standes
des höheren Mädchenunterrichts ist auf das im vorigen Abschnitt Gesagte zu verweisen. —
· Im Jahre 1911 wurden vom Ministerium des Innern Richtlinien für eine Neugestaltung
des höheren Mädchenschulwesens aufgestellt, welche eine neue einfache und einheitlich gestaltete
Organ isatien vorsehen:
1. „Höhere Mädchenschulen" im engeren Sinn (H. M.), d. h. zehnstufige
Anstalten für alle Mädchen, die „eine über die Volksschulbildung hinaus gehende in
sich geschlossene allgemeine Bildung unter Verzicht auf jede berufliche und fachliche Unter-
weisung, aber unter Beachtung der weiblichen Eigenart“ erhalten sollen. Die H. M. entspricht
im großen und ganzen der Realschule mit einer kleinen Uberlegenheit in den Sprachen und
einer Minderleistung in Mathematik. Der erfolgreiche Besuch der H. M. gibt das Anrecht
auf ein Abgangszeugnis mit dem Vermerk, daß die damit bestätigte Ausbildung der durch
eine militärberechtigte Realschule vermittelten Bildung entspreche. Das Zeugnis berechtigt
zum Eintritt in die Frauenschule, das Lehrerinnenseminar und die Studienanstalt.
2. Die Frauenschule (FS.), deren Errichtung und weitere Ausbildung als die
wichtigste Aufgabe der Reform betrachtet wird, soll Mädchen vom 16. bis 18. Lebensjahr
aufnehmen und diesen in zweijährigem Kurs in wöchentlich etwa 25 Stunden neben einer
wissenschaftlichen Weiterbildung die Einführung in den häuslichen Pflichten-
kreis vermitteln. Die wissenschaftliche Weiterbildung übernimmt das Lehrerkollegium
der H. M., an die sich die FS. angliedert, die praktische Unterweisung soll durch geeignete Vor-
träge und in Verbindung mit den schon bisher bestehenden Schulen für Frauenbildung und
ähnlichen Anstalten (Aliceschulen) erteilt werden. Das Abgangszeugnis soll gewisse Erleichte-
rungen für den etwaigen Eintritt in eine Berufsbildungsanstalt (Hauswirtschaftslehrerin,
Handarbeitslehrerin, Turnlehrerin usw.) gewähren oder auch zur Vorbedingung für die Auf-
nahme in eine derartige Anstalt werden.
3. Die Studienanstalt (Stô.). Diese Anstalt soll als Oberschule auf die H. M.
aufgebaut werden, um denjenigen Mädchen, welche die Reifeprüfung erstreben, die
Erreichung dieses Zieles in besonderen Anstalten (nicht wie bisher in Koedukation mit den
Knaben) zu ermöglichen. Die Lehrziele der Studienanstalt entsprechen denjenigen der Ober-
realschule mit etwas verminderten Leistungen in Mathematik, aber mit einem Mehr in Deutsch
und in den modernen Fremdsprachen. Die Maturität soll erst nach insgesamt dreizehnjährigem
Schulbesuch (10 Jahre H. M., 3 Jahre St A.) erreicht werden. Der erfolgreiche Besuch der
St A. soll, solange die Maturitätsprüfung für Knabenschulen besteht, gleichfalls durch eine
1) Siehe Gesetz, die Gehalte der Volksschullehrer- betr., v. 2. I. 1901, Art. 4, und Gesetz,
die höh. Bürgerschulen betr., v. 11. V. 1901 (RBl. S 359), Art. 7.
2) Siehe Gesetz v. 11. X. 1901, Art. 14.
3) Siehe vorbez. Gesetz Art. 13 u. 14.
4) Siehe Allerh. V O. v. 6. I. 1900, Rl. 67.