16 Die Vermögensrechte des Großherzogs. 33
Ausfluß der Regierungsrechte; dies äußert sich z. B. in der Tatsache, daß die letztere Befugnis
regelmäßig als der Ausübung nach übertragbar angesehen wird, während die eigentlichen
Ehrenrechte rein persönlicher Natur sind. Ebenso ist der Anspruch auf militärische Ehren,
insoweit als er dem Großherzoge in seiner Eigenschaft als Chef der dem Großherzogtum an-
gehörenden „Truppenteile“ zusteht 1), wohl nicht als ein Ehrenrecht, sondern als ein Recht
der einstigen vollen Militärhoheit Hessens anzusehen; andrerseits hat der Anspruch auf Ehren-
bezeugungen gegenüber den im Großherzogtum garnisonierenden, nichthessischen Truppen-
teilen allerdings den Charakter eines bloßen Ehrenrechtes.
§ 16. Die Vermögensrechte des Großherzogs. Als Gegenstand der Vermögens-
rechte des Großherzogs und des Großherzoglichen Hauses kommen folgende, rechtlich durchaus
verschiedenartige Komplexe von Vermögensobjekten in Betracht:
1. Das sogenannte Schatullgut oder Privatvermögen des Großherzogs
bzw. des Großherzoglichen Hauses. Eigentum, Nutzung und Verwaltung dieses Vermögens
stehen unter den Regeln des Zivilrechts 2); der Staat und seine Organe haben an diesen Ver-
mögensstücken keinerlei Rechte. Hierher gehören z. B. die Schatull- und Kabinettsgüter
Kranichstein, Seeheim, Romrod usw., die in der preußischen Provinz Sachsen gelegenen
„Domänen" Hötensleben und Obisfelde, ferner Mobiliarvermögen, obligatorische Ansprüche zivil-
rechtlichen Charakters usw. Die hierher gehörigen Vermögensobjekte bilden teils persönliches
Privatvermögen des Großherzogs, teils einfaches Hausfideikommiß, „Privatfamilienfidei-
kommiß“ 3) des Großherzoglichen Hauses"); unter den letzteren Begriff fällt auch das zwischen
dem Großherzoglichen Hause und Preußen unterm 13. Januar 1881 vereinbarte eventuelle
Sukzessionsrecht des Großherzoglichen Hauses in das durch Vertrag vom 26. März 1873
zwischen Preußen und der sogenannten Rumpenheimer Linie des kurhessischen Hauses ver-
einbarte „Privatfamilienfideikommiß der Kurhessischen Fürstenfamilie" 5).
2. Das sogenannte Kammergut oder Domanialvermögen des Groß-
herzoglichen Hauses („Familieneigentum“") 5
Beim Ubergang vom absoluten zum konstitutionellen Staat wurde in Hessen angesichts
der Unmöglichkeit einer zuverlässigen Feststellung der Rechtsverhältnisse der einzelnen Do-
manialbestandteile auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Großherzoglichen Hause
und dem hessischen Staate eine durchgreifende willkürliche Scheidung der Domänen in „Do-
mänen des Großherzoglichen Hauses“ und in „Staatsdomänen“ vorgenommen 7). Die Aus-
einandersetzung wurde in der Weise vollzogen, daß zunächst ein Dritteil sämtlicher Domänen
nach dem Durchschnittsertrage der reinen Einkünfte nach der Auswahl des Großherzogs an
den Staat abgegeben wurde, um von diesem mittels allmählichen Verkaufs zur Tilgung der
von ihm ohne Ausscheidung übernommenen Staats- und Kammerschulden verwendet zu
1) Vgl. Militärkonvention v. 13. VI. 1871 (RBl. S. 341; van Calker S. 174) Art. 7.
2) Vgl. Art. 57 EG. z. BGB.; Rehm, FR., S. 323.
3) Diese Privatdomänen sind wohl zu unterscheiden, einerseits von den unten genannten
Staatsdomänen, andererseits von dem unter den Grundsätzen der HV. (Art. 7 ff.) stehenden
Domanialfideikommiß.
4) Vgl. Rehhm, F., S. 326 f., 330.
5) Siehe Rehm, FR., S. 329 f.; Preuß. Gesetzessammlung 1881, 153
u. Renner, Das Familiensideikommiß des Kurfürstlich Hessischen Hauses in seiner Shüe
lichen Entwicklung, Ztschr. d. Ver. f. hess. Gesch. usw., Kassel 1905, NF. Bd. 29 S. * f. lüber
den Beitritt der Großh. Linie s. bes. 6 11).
6) Vgl. im allgemeinen Anschütz, Sig. S. 577; Meyer-Anschütz S. 287 ff.;
Albrecht, Das Domänenwesen im Herzogtum Sachsen-Altenburg, S 10 ff. Bezüglich des
hess. Rechts f. die anonym erschienene „Denkschrift über die D Bnmänun des Großh.
8 ess. Hauses“ (ohne Orts- und Jahresangabe; jedenfalls nach 1838 erschienen) und Arth ur
B. Schmidt, Art. Domänen i. WB. d. St. u. VR. 1 S. 601f., sowie die unten angeführte
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Literatur.
7) Siehe LV. II 1820 B. 2 H. 4; Beil. 90 S. 71, H. 5 S. 51; B. 3 H. 9 S. 40, 132. —
Bgl. auch van Calker, S. 40f. — Bezüglich der Vorverhandlungen zwischen der Regierung
(v. Grolman) und den Kammerausschüssen s. Andres, S. 237—240; 261
van Calker, Hessen. 3