36 Die Organisation des Staates. Der Großherzog und das Großherzogliche Haus. g 16
jeweiligen Staatshaushaltsetat, der die Ausgaben für die Zivilliste unter der Hauptabteilung
„Domänen des Großherzoglichen Hauses“ anführt 7).
Nach feststehender, durch Art. 70 auch verfassungsmäßig begründeter Ubung erfolgt
die Festsetzung der nach Art. 7 II vom Staate zu leistenden Summen in der Form eines
Pauschbetrags, der als Zivilliste ?#) bezeichnet wird. Dieser Pauschbetrag ist zur Deckung
aller derjenigen Bedürfnisse des Großherzoglichen Hauses und Hofes bestimmt, bezüglich
deren nicht ausdrücklich eine Ausnahme gemacht istz letzteres ist z. B. geschehen bezüglich der
Kabinettsdirektion 3). Die Festsetzung der Zivilliste erfolgt jeweils nach dem Regierungs-
antritt eines neuen Großherzogs durch eine einmalige Vereinbarung zwischen Großherzog
und Ständen, mit Wirkung für die ganze Regierungszeit des jeweiligen Landesherrn ).
Die Vereinbarung, welche nunmehr die rechtliche Grundlage für die künftige Einsetzung der
Zivilliste in den jährlichen Staatshaushalt bildet, wird nicht in die Form des Gesetzes ge-
kleidet; sie erhält jedoch nach feststehender Praxis regelmäßig ihre ausdrückliche Bestätigung
in dem die Verhandlungen des betreffenden Landtags abschließenden, im Regierungsblatt
publizierten „Landtagsabschied““5). Die Form, in welcher diese Bestätigung erfolgt, erhellt
am besten aus den einschlägigen Stellen der Landtagsabschiede von 1830 (NBl. S. 380, sub.
§* 18), 1856 (RBl. S. 337 fub. § 19), 1858 (RBl. S. 257, sfub. § 20) und von 1893. In dem
auf den letzten Thronwechsel folgenden Landtagsabschied vom 10. Mai 1893 (NBl. S. 37)
heißt es ganz kurz: „§ 5. Vorlage, die Zivilliste betreffend. Wir haben von den dieserhalb
gefaßten Beschlüssen Unserer getreuen Stände mit Befriedigung Kenntnis genommen und
der Feststellung Unserer Zivilliste die Genehmigung erteilt.“ Ahrlich drückten sich auch die
früheren Landtagsabschiede — zum Teil unter ziffermäßiger Angabe der „verwilligten“
Summen — aus. — Während der Dauer der Regierungszeit eines Großherzogs kann eine
Minderung oder Erhöhung der Zivilliste nur mit Zustimmung der gesetzgebenden Faktoren
stattfinden (Art. 70) 6).
1) Vgl. van Calker S. 42 Anm. 1.
2) Bezüglich der Entstehung und Bedeutung dieses Ausdrucks s. Mischler i. HW#B. d.
St W. III (2. A.) S. 48 ff. — Zurzeit beträgt die Zivilliste 1 265 000 Mk.
3) Vgl. die eingehenden, durchaus zutreffenden Ausführungen Cosacks S. 6, 7; s. auch
vorstehende Anm.
4) Die alljährliche Einsetzung der Zivilliste in das Budget hat also nicht die Bedeutung
einer „Bewilligung“, sondern nur die eines „Anerkenntnisses“ dieses Ausgabepostens. Vgl.
unten #& 80.
5) Die Angabe bei Küchler (Braun u. Weber) I, 112 Abs. 5, daß die Festsetzung der
Zivilliste niemals im Reg.-Blatt bekannt gegeben worden sei, ist demnach nicht zutreffend.
6) Bei der erstmaligen Feststellung der Zivilliste eines neuen Großherzogs muß die Regierung
sich nach Cosack S. 76 jede von den Ständen bewilligte Summe gefallen lassen; „denn die
Stände haben die Höhe der für den großherzoglichen Hofhalt erforderlichen Summe nach pflicht-
gemäßem Ermessen festzustellen, und die Behauptung der Regierung, daß die Feststellung auf
groben Irrtümern beruhe, ist hiergegen machtlos“. Dieser Satz ist insofern richtig, als bezüglich
der Feststellung der Zivilliste durchaus die gleichen Grundsätze gelten wie bei der Feststellung
irgendeiner anderen dem Grunde nach gesetzlich feststehenden Ausgabe. (Bezüglich der ein-
schlägigen budgetrechtlichen Grundsätze s. unten § 80. Vgl. auch den Landtagsabschied vom
1. Nov. 1830 sub. § 18·|RBl. S. 380]: „Wir erteilen der Feststellung Unserer Zivilliste .. Unsere
Zustimmung“... „Schmerzlich war es Uns, daß Unsere getreuen Stände dasjenige nicht be-
willigt haben, was Wir . . noch weiter von ihnen anzusprechen genötigt waren. Die nächste
Zukunft wird ergeben, daß die Voraussetzungen, welche diesmal Unsere getreuen Stände abge-
halten haben, Unserem Ansinnen zu entsprechen, sich nicht realisieren können.“) Unzutreffend
ist dagege. die weitere Behauptung Cosacks, daß, wenn der Großherzog den Staat auf
Erhöhung de. Zivilliste — „was wegen des privatrechtlichen Charakters der Zivilliste unbedenklich
gestattet werden muß“ — verklage und ein günstiges Erkenntnis erstreite, einem rechtskräftigen
Urteil gegenüber das Bestreiten der Stände aufhöre. Gegen diese Ansicht ist vor allem einzu-
wenden, daß es nach hessischem Recht unmöglich ist, der Zivilliste einen privatrechtlichen Charakter
beizulegen: Der Anspruch auf die Zivilliste ist ein Anspruch, der dem Staatsoberhaupt als solchem
gegenüber dem Staate als solchem zusteht; er beruht nicht auf einem privatrechtlichen Vertrage,
sondern auf einem Verfassungsgesetz, nämlich auf HV. Art. 7; er wurzelt also im öffentlichen
Recht. Demnach ist eine Klage des Landesherrn auf Erhöhung der Zivilliste rechtlich unzu-
lässig und ein etwa ergehendes Urteil rechtlich unwirksam (vgl. auch die eingehenden Ausführungen