Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

8 19 Regentschaft und Stellvertretung. 39 
  
e) Hinsichtlich der Befreiung von Steuer- und Gemeindeumlagen— 
pflichtu), Militärlasten und Jagdwaffen paß gilt für die Mitglieder des 
Großherzoglichen Hauses das gleiche wie für den Großherzog (vgl. oben S. 38, sub. Z. 1—3). 
) Selbständige vermögensrechtliche Forderungen gegenüber dem Staate stehen den 
Mitgliedern des Großherzoglichen Hauses grundsätzlich nicht zu; namentlich sind — vorbehaltlich 
ausdrücklicher anderweitiger Vereinbarungen zwischen Krone und Volksvertretung — etwaige 
Apanagen und Aussteuern nicht unmittelbar vom Staate, sondern aus der zur Bestreitung 
aller Bedürfnisse des Großherzoglichen Hauses und Hofes bestimmten Zivilliste, also vom 
Großherzog, zu bezahlen ?). 
8) Die Prinzen des Großherzoglichen Hauses sind geborene Mitglieder der I. Kammer; 
sie können jedoch von ihrem Rechte nur dann Gebrauch machen, wenn sie die hessische Staats- 
angehörigkeit besitzen und das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben (LstG. Art. 2 Z. 1, Art. 10). 
Im übrigen haben die Agnaten keinen selbständigen Anteil an der Gesetzgebung; auch eine 
Abänderung der verfassungsmäßig geregelten Thronfolgeordnung würde demnach nicht ihrer 
Zustimmung bedürfen 2). 
h) Die Mitglieder des Großherzoglichen Hauses genießen gemäß RSt##B. ör 96, 97, 
100 einen erhöhten Strafrechtsschutz. 
i) Der Erbgroßherzog von Hessen führt das Prädikat „Königliche Hoheit“. Die übrigen 
von einem Großherzog abstammenden Prinzen und Prinzessinnen des Großherzoglichen 
Hauses führen das Prädikat „Großherzogliche Hoheit““). 
§ 19. Regentschaft und Stellvertretung. 
I. Regentschaft. 
1. Eine Regentschaft hat in drei Fällen stattzufinden: a) wenn der Groß- 
herzog minderjährig ist (Art. 1 Abs. 1); b) wenn er dauernd verhindert ist, die 
Regierung persönlich zu führen (Art. 1 Abs. 2); c) wenn bei der Erledigung des 
Thrones die Person des Thronfolgers ungewiß ist (Art. 1 Abs. 2). Die beiden ersten Fälle 
gehören inhaltlich zusammen, da es sich in beiden Fällen um eine persönliche Behinderung 
des Großherzogs handelt. Der im Gesetze selbst mit dem zweiten Fall in einen Satz zusammen- 
gefaßte dritte Fall bildet insoferne einen Casus specialis für sich, als hier ein zu vertretender 
Landesherr überhaupt gar nicht vorhanden ist, so daß an sich nicht eine Vertretung (Regent- 
schaft), sondern ein Interregnum vorliegt 5). Die Entscheidung über das Vorhandensein der 
unter b) und c) genannten Fälle steht der vom Staatsministerium zu berufenden Volks- 
1) Abgesehen von den Umlagen auf Grundbesitz. 
2) Vgl. die eingehenden, zutreffenden Ausführungen bei Cosack S. 6 ., woselbst auch 
über die frühere, hiermit im Widerspruch stehende Auffassung der Regierung berichtet wird. Der 
in einer Denkschrift des Großh. Ministeriums des Großh. Hauses und des Außern vom Jahre 
1866 unternommene Nachweis einer rechtlichen Verpflichtung der Volksvertretung zur Verwilli- 
gung von Dotalgeldern (Prinzessinnensteuer) verkennt die Tatsache, daß die vermögensrecht- 
ichen Beziehungen zwischen dem Großh. Hause und dem hessischen Staate durch das Domänen- 
abkommen von 1820 auf eine völlig neue Basis gestellt und durch H V. Art. 7 ff. in erschöpfender 
Weise neu geregelt wurden. (Bezüglich des Regierungsstandpunktes vgl. die vorerwähnte, im 
ständ. Archiv hinterlegte Denkschrift, die bei der Vermählung einer Prinzessin im Großh. Hause 
herkömmlichen hausgesetzlichen Dotalgelder betreffend, mit Vorwort d. d. Darmstadt 30. I. 1866 
(gedruckt Darmstadt 1866), und den hektographisch vervielfältigten „Auszug aus dem Protokolle 
der Juristischen Gesellschaft zu Berlin vom 11. April 1868“. Über den früheren Rechtszustand 
unterrichtet die Abhandlung „von der Fräulein-Steuer in Hessen“ i. Ledderhose, Kleine 
Schriften, B. V. (1795). 
3) Vgl. Schücking, Der Staat und die Agnaten, 1902, bes. S. 30, 31, 36, Anschütz, 
StR., S. 571. — Eine Fsammenstellung der verschiedenen Meinungen über die Rechte der 
Agnaten gibt Friese, Thronfolge und Agnatenrecht, Berlin 1906 (als Heidelberger Dissertation, 
1905 erschienen unter dem Titel „Kann die Landesgesetzgebung die Thronfolge ohne Zustimmung 
oder gegen den Widerspruch der Agnaten des regierenden Hauses rggen . 
4) Siehe Allerh. V O. (Hausgesetz) v. 15. VIII. 1844, RBl. 261. 
5) Bgl. Gesetz vom 26. März 1902, die Regentschaft betreffend Imm#. S 79); Triepel, 
Das Interregnum, Leipzig 1892.
	        
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