40 Die Organisation des Staates. Der Großherzog und das Großherzogliche Haus. 8 19
vertretung zu; im Falle b) kann eventuell auch schon im voraus durch Gesetz über die Not-
wendigkeit einer Regentschaft und erforderlichenfalls über die Person des Regenten Ent-
scheidung getroffen werden (Art. 5) 1).
2. Uber die Person des Regenter bestimmt das Gesetz vom 26. März 1902
(Art. 2) Folgendes: a) In erster Linie ist zur Führung der Regentschaft derjenige regierungs-
fähige Agnat berufen, der der Krone am nächsten steht. Wer dies ist, ergibt sich mangels einer
anderweitigen Bestimmung aus der Thronfolgeordnung (HV. Art. 5); b) Ist ein regierungs-
fähiger Agnat nicht vorhanden, oder schlagen sämtliche vorhandene regierungsfähige Agnaten
die Regentschaft aus, so wird der Regent durch die Volksvertretung aus der Zahl der voll-
jährigen, nicht regierenden männlichen Mitglieder einer landesherrlichen oder vormals reichs-
ständischen Familie erwählt. Dieses Verfahren greift jedoch nur Platz, soferne nicht für den
bezeichneten Fall gemäß Art. 5 des Regentschaftsgesetzes über die Person des Regenten bereits
durch Gesetz im voraus Entscheidung getroffen ist. c) Ein Wechsel in der Person des Regenten
tritt aus folgenden, teils in der Person des Regenten, teils in der Person eines etwa vor-
handenen Thronfolgers gelegenen Gründen ein: e#) wenn der Regent selbst regierungsfähig
wird; 5) wenn er die Regentschaft freiwillig niederlegt; 7) wenn der Thronfolger nach er-
langter Regierungsfähigkeit erklärt, die Regentschaft selbst führen zu wollen. d) In der Zeit
von dem die gesetzliche Notwendigkeit einer Regentschaft anerkennenden Landtagsbeschlusse
bis zur tatsächlichen Ubernahme der Regentschaft durch den Berechtigten hat das Staats-
ministerium die Regierungsgeschäfte selbständig zu erledigen. Die gleichen Befugnisse hat
das Staatsministerium bis zu dem genannten Zeitpunkte auch im Falle des UÜbergangs der
Krone an einen minderjährigen Großherzog (Art. 3 Abs. 2). Während der Zeit von der Ein-
berufung der Stände bis zu dem vorbezeichneten Landtagsbeschlusse und von da ab bis zur
tatsächlichen Regentschaftsübernahme kann das Staatsministerium nicht entlassen werden
(Art. 3 Abs. 1).
VoAu der Übernahme der Regentschaft hat der Regent in einer Versammlung der ver-
einigten beiden Kammern der Stände einen Eid zu leisten, daß er die Landesverfassung fest
und unverbrüchlich halten, und in Ubereinstimmung mit derselben und den Gesetzen regieren
werde (Art. 6 Abs. 2). Die Leistung dieses Eides ist eine gesetzliche Voraussetzung der Rechts-
gültigkeit der Regentschaftsübernahme, hat also eine andere rechtliche Bedeutung als die Ab-
leistung des Verfassungseides durch den Landesherrn (vgl. HV. Art. 106 und oben S. 28).
Vor Erfüllung dieser Voraussetzung kann der zur Regentschaft Berufene keinerlei Regierungs-
handlungen vornehmen, vielmehr hat bis zur gültigen Übernahme der Regentschaft das
Staatsministerium die Regierungsgeschäfte selbständig zu erledigen (vgl. Regent Ges. Art. 3
Abs. 2). Die UÜbernahme einer Regentschaft soll im Regierungsblatt bekannt gemacht werden
(Art. 4); die Publikation hat selbstverständlich keine konstitutive Bedeutung.
3. Während der Dauer der Regentschaft hat der Regent folgende Rechtsstellung:
a) Er übt „die volle Regierungsgewalt im Namen des Großherzogs“ aus (Art. 6 Abs. 1), er
ist daher namentlich auch befugt, unter Beobachtung der vorgeschriebenen Formen Verfassungs-
gesetze abzuändern und zu erlassen 2). b) Er ist „unverantwortlich und unverletzlich“ (Art. 6
Abs. 1). Die Unverantwortlichkeit des Regenten ist mit derjenigen des Großherzogs durchaus
gleichartig und von gleichem Umfang 3); seine Unverletzlichkeit ist dagegen eine wesentlich
1) Auf Grund dieser Bestimmung wurde im Jahre 1902 gesetzlich angeordnet Geiseg vom
12. Juli 1902, RBl. S. 291), daß für den Fall des Übergangs der Krone auf den dem Throne
damals am nächsten stehenden Agnaten des Gesamthauses Hessen (den erblindeten Landgrafen
Alexander Friedrich von Hessen aus der landgräfl. Hauptlinie des Gesamthauses Hessen) eine
Regentschaft stattzufinden habe. Nächster Agnat ist nunmehr der am 8. Xl. 1906 geborene
Erbgroßherzog Georg. Die vorgenannte Anordnung ist daher nur noch insoweit praktisch, als
damit indirekt ausgeforochen ist, daß der im Gesetze v. 12. Juli 1902 genannte Agnat auch zur
Führung einer Regentschaft unfähig ist.
2) Vgl. hierher und zum Folgenden Meyer-Anschütz S. 283 f. und die dort ange-
führte Literatur.
3) Daß die Unverantwortlichkeit des Regenten für alle in die Zeit seiner Regentschaft fallen-
den Regierungshandlungen unterschiedslos auch nach Beendigung der Regentschaft fortdauert,