g 26 Eröffnung, Dauer und Organisation der Ständeversammlung. 59
die Verkündigung des den Ständen schon vorher mitgeteilten großherzoglichen Landtags-
abschieds #), das ist eines förmlichen Bescheids über alle während der Landtogsdauer von
den Ständen gefaßten Beschlüsse.
Die „Dauer des Landtags“ oder „der Landtag“ schlechthin zerfällt in der Regel in eine
Reihe von „Sessionen“ oder „Sitzungsperioden“, deren Anfangs- und Endpunkt durch die
ausschließlich dem Landesherrn zustehenden Formalakte: Einberufung, Vertagung, Schließung
und Auflösung des Landtags bestimmt wird. Für die einzelnen Sitzungsperioden (auch
„Tagungen“) eines und desselben „Landtags" untereinander und für die einzelnen Sitzungen
innerhalb der einzelnen Sitzungsperiode gilt der Grundsatz der Kontinuität, d. h. jede neue
Sitzung gilt als Fortsetzung der vorhergehenden; Vertagung und darauf erfolgender Wieder-
zusammentritt der Stände bezeichnen nur den Endpunkt und Anfangspunkt einer Sitzungs-
periode (nicht Ende und Anfang eines „Landtags") und haben daher nicht, wie die
Schließung und Auflösung der Stände, die Rechtsfolge der Diskontinuität?). —
Die wichtigste Wirkung der Diskontinuität besteht in der Unmöglichkeit, nach dem Wieder-
zusammentritt der Landstände die Verhandlungen an demjenigen Punkte wieder aufzunehmen,
an welchem sie vor jener Zäsur angelangt waren. Es sind also Bureau und Ausschüsse nen
zu wählen, Entwürfe, die wieder ausgenommen werden sollen, neu einzubringen (auch neu
zu drucken!) und neuerdings durchzuberaten usw.
Mit dem Ausdrucke „Sitzung“ bezeichnet man jede einzelne, nach Anordnung des
zuständigen Präsidenten der Kammer stattfindende Zusammenkunft einer Kammer; Anfang
und Ende einer Sitzung werden durch die vom Präsidenten vorzunehmenden Formalakte
der Eröffnung und Schließung der Sitzung bestimmt. Eine vom Präsidenten angeordnete
Unterbrechung der Sitzungen 3) gilt auch bei längerer und unbestimmter Dauer nicht als
„Vertagung“ im Rechtssinne ") sie bewirkt also namentlich nicht den Schluß der Sitzungs-
periode, so daß demnach der Wiederzusammentritt der Kammer nicht vom Großherzog, sondern
vom Kammerpräsidenten anzuordnen ist 7).
II. Organisation. 1. Obwohl die beiden Kammern in ihrer Gesamtheit als ein
einheitliches Organ des Staates erscheinen, fehlt ihnen doch eine einheitliche Gesamtorgani-
sation. Jede Kammer hat vielmehr ihre gesetzlich festgesetzte, selbständige Organisation für
sich, die für jede Landtagsperiode neu ins Leben gerufen werden mußt:
a) Der Vorstand (das frühere „Bureau“) ) jeder Kammer besteht aus dem ersten,
dem zweiten und dem dritten Präsidenten und den zwei Sekretären. Die Bestellung des
Vorstands erfolgt, abgesehen von der dem Großherzog zustehenden Ernennung des ersten
Präsidenten der Ersten Kammer, durch Wahl von seiten der anwesenden Kammermitglieder.
1) Die rechtliche Bedeutung des Landtagsabschieds entbehrt einstweilen noch einer ein-
ge enden Untersuchung, zu der hier leider der Raum fehlt; außer Zweifel steht jedenfalls soviel,
durch den Landtagsabschied eine rechtliche Bindung der Regierung in bezug auf die dort
ausgesprochenen Zusagen eintritt, und daß für die Nchterfüllunß sol solcher Versprechungen die
ministerielle Verantwortlichkeit in Anspruch genommen werden kann. (Vgl. Ministerverant-
wortlichkeitsgesetz vom 5. VII. 1821 Eingangsworte und Art. I1.)
2) Über diese allgemein staatsrechtlichen Begriffe s. Laband! S.317; Cosack S. 25, 26.—
Praktische Beispiele für den seit 1872 nicht mehr eingetretenen Fall einer „Vertagung“ des
Landtags durch den Großherzog s. LV.“ II 1851—52 Prot. B. XXII Nr. 210 S. 4, LV. II
1866—68 Prot. B. II Nr. 24 S. 33. LV. II 1869/72. Prot. B. IV. Nr. 56 S. 77, Nr. 57 S. 2
Beil. B. IV Nr. 285; V. Nr. 292. —
3) Zum Beispiel über Weihnachten usw.
4) Gleichwohl wird sie häufig als „Vertagung“ bezeichnet, vgl. z. B. L V. II 1892 Prot.
B. 3, Nr. 33 S. 72.
5) Im Jahre 1879 erfolgte nach einer beinahe halbjährigen vom Präsidenten angeordneten
Unterbrechung der Sitzungen die Wiederzusammenberufung der II. Kammer ausnahmsweise
durch den Staatsminister, da während der Dauer der Landtagsperiode die beiden
Kammerpräsidenten ihr Mandat verloren hatten (s. LV. II 1879 Prot. B. 2 Nr. 28 S. 1 ff.).
ieron ist zu unterscheiden der Fall, daß auf Ersuchen der Regierung der
aanmery, räsident den Wiederzusammentritt der Kammer anordnet (s. z. B. LV. II
1870 Prot. B. VI. Nr. 78 S. 6, Beil. B. VII. Nr. 409).
6) Vgl. van Calker, V. S. 225 A. 1.