III. Teil. Verfassungsurkunde. Artikel 62. 129
[In dem Falle jedoch, wenn ein Standesherr durch
Minderjährigkeit, oder Curatel abgehalten wird, tritt
der Agnat, welcher die Vormundschaft, oder Curatel
führt, an dessen Stelle, vorausgesetzt, daß derselbe in
jeder Hinsicht als gehörig qualificirt erscheint. Auch
soll ein Standesherr in solchen Fällen, wo er durch
Gründe, welche auch in der zweyten Kammer ent—
schuldigen, verhindert wäre, wenn die erste Kammer
diese Gründe für zulänglich erkennt, das Recht haben,
sich durch den nächsten Agnaten, wenn dieser gehörig
qualificirt ist, für diesen Landtag vertreten zu lassen.
Dieses Recht steht, unter denselben Bedingungen,
auch dem Senior der Familie der Freyherrn von
Riedesel zu.
Nie darf aber ein solcher Stellvertreter nach In—
structionen handeln, und nie, eben so wenig, wie ein
aus eigenem Recht Berechtigter, mehrere Stimmen führen.
Artikel 62.
In beiden Kammern haben die Mitglieder des Ge-
heimen Staats-Ministeriums und die ernannten Land-
tags-Kommissarien freien Zutritt ohne Stimmrecht.!
1 Vgl. folgende ergänzende Bestimmung des Gesetzes, die
landständische Geschäftsordnung betreffend, vom 17. Juni 1874
(RBl. S. 423):
„Artikel 43.“
Die Mitglieder der Ministerien und die ernannten Landtags-
commissäre können den Berathungen der Kammern beiwohnen,
sich von anderen Beamten begleiten lassen und nehmen besondere
Sitze in der Versammlung ein. Sie können während der Be-
rathung zu jeder Zeit, jedoch ohne Unterbrechung eines anderen
Redners, das Wort verlangen und sind berechtigt, geschriebene
Reden abzulesen.
Nimmt ein Vertreter der Regierung nach dem Schlusse der
Discussion das Wort, so gilt diese auf's Neue für eröffnet.
Handausgabe hess. Gesetze: W. van Calker, Verfassungsgesetze. 9