134 III. Teil. Verfassungsurkunde. Artikel 72—73.
vorläufige Berathung mit denselben durch äußere Ver-
hältnisse unmöglich gemacht wird, kann die Staats-
regierung die erforderlichen Summen lehnbar aufneh-
men, vorbehältlich der Nachweisung ihrer Verwendung
und der Verantwortlichkeit der obersten Staatsbehörde.n!
Artikel 72.
Ohne Zustimmung der Stände kann kein Gesetz,
auch in Bezug auf das Landes-Polizey-Wesens gegeben,
aufgehoben oder abgeändert werden.
Wenn bei bestehenden Gesetzen die doctrinelle Aus-
legung nicht hinreicht, so tritt nicht authentische Aus-
legung, sondern die Nothwendigkeit einer neuen Be-
stimmung, durch einen Act der Gesetzgebung ein.
Artikel 73.4
Der Großherzog ist befugt, ohne ständische Mit-
wirkung, die zur Vollstreckung und Handhabung
1 Uber Staatsanleihen überhaupt und Notanleihen im be-
sonderen vgl. Cosack a. a. O. S. 62.
2 Der Begriff des Gesetzes wird von der HV. als etwas
offenbar Selbstverständliches vorausgesetzt; daß hier nicht Gesetz
im formellen Sinn gemeint sein kann, liegt auf der Hand, s. oben
S. 81 f.; vgl. über den mit HV. Art.72 correspondirenden Artikel 62
Abs. I der preuß. Verf., Anschütz, Begriff, S. 135, ferner S. 160ff.
a. a. O.)j; vgl. endlich über den Begriff des Gesetzes und den Unter-
schied zwischen Gesetzen und Verordnungen Beobachter 1833
S. 54, 177 ff., 185 ff., 193 ff., 205 u. 209.
3 Der Zusatz „auch in Bezug auf das Landes-Polizey-Wesen“
erklärt sich dadurch, daß Art. 20 Abs. I des Verf.-Ediktes vom
18. März 1820 den Erlaß der „polizeilichen Gesetze“ ausdrücklich
von der ständischen Mitwirkung ausgenommen hatte.
4 Der Art. 73 regelt das Verordnungsrecht des Großherzogs,
ohne hierbei zwischen Rechtsverordnungen und Verwaltungs-
verordnungen zu unterscheiden. Unter den beiden Gruppen der
„zur Vollstreckung und Handhabung der Gesetze erforderlichen“