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gesetzes vom 8. März 1871 erstreckt sich dieselbe nicht blos auf Lebende, welchen Obdach 2c. zu
gewähren ist, sondern auch auf Todte, welchen ein angemessenes Begräbniß zu Theil werden soll.“
Es kann dabei keinen Unterschied machen, ob die öffentliche Fürsorge schon für den Lebenden
nothwendig geworden, oder ob das Bedürfniß der Unterstützung erst nach dem Tode hervorgetreten
ist. Eine Ausschließung der Unterstützungspflicht in dem letzteren Falle ist durch den Wortlaut des
Gesetzes — welches die Reihe der einzelnen Unterstützungsarten mit der Beerdigung schließt, ohne
damit auszudrücken, daß diese Art der Unterstützung nur im Gefolge der übrigen eintreten solle —
keineswegs geboten und am wenigsten damit zu rechtfertigen, daß Todte nicht als hülfsbedürftig
gelten könnten. Denn da das Gesetz, selbst nach der vom ersten Richter getheilten Auffassung des
Verklagten, wenigstens eine Fortsetzung der bei Lebzeiten begonnenen Fürsorge über den Tod hinaus
anordnet, sonach die Hilfsbedürftigkeit eines Lebenden auch nach dem Tode fortdauern läßt, so kann
nicht angenommen werden, daß im Sinne des Gesetzes die Hilfsbedürftigkeit nothwendig mit dem
Tode endet. Können aber auch Todte hilfsbedürftig sein, so fehlt es an jedem rationellen Grunde,
dem hilfsbedürfilgen Todten deshalb ein angemessenes Begräbniß im Wege der Armenpflege zu
versagen, weil er bei Lebzeiten nicht hilfsbedürftig war, und die Beseitigung des Leichnams der
Polizei zu überlassen.
Bezaglich der über den Satz des preußischen Tariss hinaus zu erstattenden Kur= 2c. Kosten hat sich das
Bundesamt für das Heimathwesen in Sachen des Landarmenverbandes der Provinz Pesen wider den Orts-
armerwerband der Stadt Kosten in dem Erkenntnisse vom 3. November 1873, wie folgt, geäußert:
Der verklagte Landarmenverband ist wegen Erstattung von 4 Thlr. 11 Sgr. 3 Pf. Arznei-
kosten, aufgewendet für den im Krankenhause zu Kosten an einem gastrisch-rheumatischen Fieber
behandelten Landarmen N. N., in Anspruch genommen, weigert sich aber, mehr als den bereits
bezahlten Betrag der tarifmäßigen Pauschvergütung (1 Thlr. 5 Sgr.) zu erstatten und hat gegen
das ihn zur Zahlung des Restes, sowie in die Kosten verurtheilende Erkenntniß der Posen'schen
Deputation für das Heimathwesen fristzeitig Berufung eingelegt.
Verklagter ist der Ansicht, daß von außerordentlichen Mehraufwendungen im Sinne des Vor-
behalts unter Nr. 2 des Tarifs vom 21. August 1871 nur dann die Rede sein könne, wenn die
den Pauschsatz übersteigenden Ausgaben nicht durch das gewöhnliche Heilverfahren bedingt seien.
Das Prädikat „außerordentlich“ müsse auf die Art der Aufwendung, nicht auf die Höhe derselben
bezogen werden, wenn es neben dem Prädikat „erheblich“ einen Sinn haben solle.
Das erste Erkenntniß war zu beslätigen.
Der in dem Tarife vom 21. August 1871 getroffenen Festsetzung des Pauschsatzes für ärztliche
Behandlung und Heilmittel auf den Betrag von 1 Sgr. pro Tag liegt die Annahme zu Grunde,
daß in gewöhnlichen Krankheitsfällen dieser Betrag den durchschnittlichen Aufwand des verpflegenden
Armenverbandes deckt. Der Vorbehalt unter Nr. 2 des Tarifs, welcher in Fällen von Verwun-
dung, schwerer oder ansteckender Krankheit erhebliche Mehraufwendungen zur Erstattung zuläßt,
bezweckt augenscheinlich, dem unterstützenden Armenverbande die Berechnung des wirklichen Aufwandes
an Stelle des Pauschsatzes in den Fällen offen zu halten, in welchen der letztere zur Deckung der
Ausgaben erfahrungsmäßig nicht ausreicht. Wenn dabei von erheblichen außerordentlichen Mehr-
aufwendungen die Rede ist, so erklärt sich dies aus dem Gegensatze zu den gewöhnlichen Aufwen-
dungen in leichteren Fällen, für welche der Pauschsatz berechnet ist. Wäre die Auslegung des Ver-
klagten die richtige, wonach nur Aufwendungen außergewöhnlicher Art bei Verwundungen 2c.
erstattbar sein sollen, so würden gerade diejenigen Ausgaben, welche in schweren Fällen den Ge-
sammtaufwand über das durchschnittliche Maß hinaus steigern, nämlich die Ausgaben für sorgfältigere
ärztliche Behandlung und Krankenwartung, sowie für Heilmittel von der vollständigen Erstattung
ausgeschlossen sein, was gewiß nicht in der Absicht gelegen hat.
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