Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Zweiter Jahrgang. 1874. (2)

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Instanz für die interterritorialen Streitsachen beschränkt sein soll. Daß ein solcher 
Rechtszustand eine Konsequenz darstellen würde, welche unvereinbar wäre mit der durch §. 61 des 
Reichsgesetzes begründeten Gegenseitigkeit der sich nicht auf das Verhältniß zwischen dem vorläufig 
Unterstützenden und definitiv Verpflichteten beschränkenden Rechte und Pflichten zwischen allen 
Armenverbänden im Geltungsgebiete des Reichsgesetzes, sowie mit der Gleichstellung in der Ver- 
folgung ihrer Rechte, welche durch den §. 7 den sämmtlichen Orts- und Landarmenverbänden ge- 
währleistet wird, bedarf keiner Ausführung. 
Auch bezüglich der territorialen Sachen, über welche der §. 37, Absatz 1, bestimmt, führt 
die bekämpfte Ansicht zu Resultaten, für welche es an jeder Rechtfertigung fehlen würde. 
Allerdings sind durch den §. 65, Absatz 5, welcher wieder auf den §. 37 zurückweist und slch 
zunächst nur auf den, durch das Reichsgesetz neu eingeführten Bundesprozeß bezieht, — conf. §. 37, 
Abs.2— die in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden das Verfahren in territorialen Streitigkeiten bisher 
regelnden Vorschriften der Landesgesetze nicht ohne Weiteres aufgehoben worden. Andererseits hat 
aber wieder der §. 37, Abs. 1, indem er die Regelung des Verfahrens in territorialen Streitsachen 
der Landesgesetzgebung überließ, dies nur in demselben Umfange gethan, in welchem der Paragraph 
überhaupt von Streltigkeiten zwischen Armenverbänden über die öffentliche Armenpflege spricht und 
demnach über dieselbe bestimmt. Es würde also auch das der Landesgesetzgebung überlassene Gebiet 
auf die Klagen der vorläufig unterstützenden gegen den definitio verpflichteten Armenverband be- 
schränkt sein, wenn die Auslegung richtig wäre, welche dem §. 37 bisher gegeben worden ist. Auf 
welchem Wege alle anderen, die öffentliche Armenpflege zwischen Armenverbänden desselben Staates 
betreffenden Fragen zur Entscheidung gebracht werden sollen, würde das Gesetz dann unentschieden 
gelassen und es wenigstens nicht ausgesprochen haben, daß auch insoweit das Verfahren durch die 
Landesgesetzgebung zu regeln sei. Alle politischen Gründe, welche denkbarer Weise zur Beschränkung 
der Kompetenz des Bundesamtes, einer Reichsbehörde, auf eine gewisse Kategorie von interterritorlalen 
Streitsachen hätten führen können, fallen natürlich fort bei den teritorialen Streitsachen. Es ist 
also absolut kein Grund erfindlich, weshalb rücksichtlich dieser Sachen, welche, so lange nicht ein 
spontaner Akt der Landesgesetzgebung ein Anderes in Gemäßheit des §. 52 des Reichsgesetzes be- 
stimmt hat, der Kompetenz der eingesetzten Reichsbehörde entzogen bleiben, und nach wie vor in 
allen Fällen durch die Landesbehörde in letzter Instanz entschieden werden müssen, eine Unter- 
scheidung gemacht und das Recht der Landesgesetzgebung über das Verfahren zu bestimmen, im 
§. 37, Absatz 1, nur rücksichtlich einer einzelnen Kategorie dieser Streitsachen ausdrücklich hätte 
anerkannt werden sollen, während man die Frage nach dem Verfahren in allen übrigen offen ließ. 
Der Gesetzgeber muß daher, da eine derartige, so auffallend lückenhafte Bestimmung, so wenig als 
eine Einschränkung der Landesgesetzgebung auf diesem Gebiete von ihm beabsichtigt gewesen sein kann, 
auch hier ein Anderes gewollt haben. Das Bedenken gegen die Fassung des §. 37 Absatz 1 zerfällt 
und die Lücke schwindet, wenn man den §. 37 in seinem Wortsinne nimmt, und von der Beschränkung 
absieht, welche ihm durch den §. 34 resp. 38 gegeben sein soll. Alsdann ist der §. 37, Absatz 1, 
so zu verstehen, daß die fernere Regelung des Streitverfahrens zwischen Armenverbänden desselben 
Staates über die öffentliche Armenpflege ebenso allgemein der Landesgesetzgebung vorbehalten bleiben 
sollte, wie sie ihr bisher zugestanden hatte. 
Nach dieser Auslegung konnte die Landesgesetzgebung es allgemein bei dem bisherigen Ver- 
fahren belassen, wie dies z. B. im Königreich Sachsen durch den §. 7 der Ausführungsverordnung 
vom 6. Juni 1871 geschehen ist, so daß in Gemäßheit des §. 1 des Gesetzes vom 30. Januar 1835 
über die Administrativ-Justizsachen die Entscheidung über „Streitfragen zweier sich gegenüber stehenden 
Armenverbände über die Lasten der öffentlichen Armenpflege“, also ganz allgemein zur Kompetenz 
der Administratlv-Justizbehörden gehört. Die Landesgesetzgebung konnte auch durchgreifend ander- 
weitige Bestimmungen treffen, wie es in Preußen geschehen ist, wo der §. 40 des Ausführungs- 
gesetzes vom 8. März 1871 die Deputationen für das Heimathwesen indistincte zur Entscheidung 
von Streitigkeiten, welche gegen einen preußischen Armenverband von elnem anderen deutschen 
Armenverbande erhoben worden, also auch für alle territorlalen Streitsachen ohne Unterschied — 
conf. auch Instruktion vom 10. April 1871 zu den §§. 40—63 alinen 3 — eingesetzt hat, und in 
den folgenden Paragraphen jenes Gesetzes für die Deputationen ein den Rechtsweg gänzlich aus- 
schlleßendes Administrativ-Verfahren eingeführt worden ist. 
  
 
	        
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