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Zur Geltendmachung des Anspruchs, ja zur bloßen Anmeldung gehört unzweifelhaft die nicht
4. immer ganz leichte Ermittelung, welches der Armenverband des Unterstützungswohnsitzes sei, resp.
daß kein Unterstützungswohnsitz vorhanden und der Unterstützte deshalb landarm sei. Diese Erkundi-
gungen und deshalb auch die dadurch hervorgerufenen Kosten sind dem klagenden Armenverbande
durch die Unterstützung erwachsen.
Sie gehören auch zu den nach §. 56 des preußischen Ausführungs-Gesetzes vom 8. März 1871
dem unterliegenden Theile zur Last fallenden „Kosten und baaren Auslagen“ des Verfahrens,
da sie, die nothwendige Voraussetzung desselben sind. Wenn — wie hier — durch die vorher
veranlaßten Vernehmungen die Unterngungsberechtigung des Unterstützten so unzweifelhaft fest-
gestellt ist, daß die Verpflichtung anerkannt wird, so erscheint es nicht bedenklich, daß der erstat-
tungspflichtige Armenverband diese Kosten ebenso zu tragen hat, als wenn erst durch Ver-
nehmungen in einem deshalb angestellten Prozesse die Berechtigung des Unterstützten gegenüber
dem bestimmten verpflichteten Armenverbande festgestellt wäre. Denn durch die Vorermittelungen
sind, — vorausgesetzt, daß es sich, wie hier nicht streitig, um nöthige und angemessene Auslagen
dem Betrage nach handelt — nur die weiteren Kosten eines Prozesses über die Sache selbst ver-
mieden, von denen die entstandenen Kosten ein Theil gewesen sein würden.
Hieraus folgt aber noch keinesweges, daß in gleicher Weise die Kosten eines unglücklichen
Vorprozesses zu erstatten wären.
Ueber die Bedeutung des §. 4 des Freizügigkeits-Gesetzes vom 1. November 1867 (vergl. Central-Blatt
Seite 696) spricht sich das Bundesamt in dem Erkenntniß vom 25. September 1875 in Sachen des Orts-
armenverbandes Guben wider den Ortsarmenverband Grünberg, wie folgt, aus:
Es kann völlig dahingestellt bleiben, ob der Aufenthalt der Wittwe K. bei ihrem Sohne in
Guben vor ihrer am 11. Dezember 1874 erfolgten Anmeldung zur Niederlassung wirklich den
Karakter eines nur besuchsweisen hatte"), oder nicht. Denn beantwortet man diese Frage auch
im Sinne des Klägers und geht sonach davon aus, daß es sich um die Abweisung einer neu
Anziehenden im Sinne des §. 4 des Freizügigkeits-Gesetzes vom 1. November 1867 handelt, so
würde doch mit dem ersten Richter der Armenverbaud haben nicht für berechtigt erachtet werden
können, von dem Verklagten die Uebernahme der von Guben auszuweisenden Wittwe K. zu ver-
langen. Dieselbe ist allerdings nach dem vorliegenden ärztlichen Zeugnisse selbst nicht mehr
arbeitsfähig, aber ihr Unterhalt ist ihr bisher von ihrem Sohne, dem Maurer K., welchem sie die
Haushaltung führt, gewährt worden. K., welcher erst 1842 geboren, und unbestritten vollkommen
erwerbsfähig ist, ist auch, zumal er in kinderloser, faktisch getrennter Ehe lebt, ohne Zweifel that-
sächlich im Stande, seiner Mutter, der ihm hierzu obliegenden Verpflichtung gemäß, den erforder-
lichen Unterhalt in bisheriger Weise dauernd zu gewähren. Es liegt also der die Abweisung der
Wittwe K. nach §. 4 cit. verbietende Umstand vor, daß dieselbe den nothdürftigen Unterhalt von
einem dazu verpflichteten Verwandten erhält. Die zur Entkräftung dieser Thatsache vom Kläger
unter Beweis gestellte Behauptung, daß der Maurer K. einen unregelmäßigen Lebenswandel führe,
sein verdientes Arbeitslohn meist selbst verbrauche, auch seine Ehefrau habe darben lassen, die ihn
in Folge dessen habe verlassen müssen, erscheint unerheblich. Denn wenn unter den vom Kläger
behaupteten Umständen auch die Besorgniß begründet erschiene, daß K. es mit seiner Mutter
dachte Wittwe K. hatte sich bereits 1% Jahre hinvurch bei ihrem Sohne in Guben aufgehalten, als sie auf der
") Die gedachte Witwe K. hatte sich bereits 1 1/4 Jahre hindurch bei ihrem Sohne in Guben aufgehalten, als sie auf der
Polizei erschien und sich behufs der Niederlassung anmeldete .