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blieben sei und fortwährend aus öffentlichen Mitteln Unterstützungen erhalten habe, daß sie im
Jahre 1871 von Ladbergen nach Greven gekommen sei und dort vom Mai 1872 ab bis in die
jüngste Zeit fortwährend von der Armenkommission aus öffentlichen Armenmitteln Unterstützungen
bezogen habe. Hiernach kann darüber kein Zweifel sein, daß die K. wirklich in der ganzen Zeit
vom 26. Juni 1867 bis 18. Juni 1871 und vom 3. Mai 1872 bis in die neueste Zeit hilfs-
bedürftig gewesen und unterstützt ist.
Es bleibt deshalb nur das Bedenken noch übrig, ob die Verpflegung der K. vom 25. August
1868 bis In. Juni 1871 als aus öffentlichen Mitteln geschehen anzusehen ist, obwohl der Amt-
mann Sp. den Betrag dieser Kosten nicht mehr auf die Gemeindefasse angewiesen, sondern aus
Privatmittelun vorgeschossen, resp. gedeckt hat?
Diese Frage muß jedoch im Anschluß an die Ausführungen des ersten Nichters dahin ent-
schieden werden, daß die Unterstützung im Wege der öffentlichen Armenpflege stattgefunden hat.
Der Amtmann Sp. hat, wie die Akten des Amtes Ladbergen ergeben, nach Eintritt des Unter-
stützungsfalles zunächst die nöthigen Schritte gethan, um die Erstattung der erwachsenden Kosten
seitens des verpflichteten Armenverbandes herbeizuführen. Er hat namentlich dem Königlichen
Landrathsamt Bericht erstattet und die Landarmen-Direktion um Feststellung des Hilfsdomizils
ersucht. Die dadurch veranlaßten Erhebungen haben zur Ermittelung des Unterstützungswohnsitzes
in Brakel geführt. Nach erfolgter Anerkennung desselben durch den Verklagten an diesen ver-
wiesen, hat der Amtmann Sp. namens des Ortsarmenverbandes zu Ladbergen die Erstattung der
Kosten und die Uebernahme der Fürsorge vom verklagten Armenverbande gefordert. Letztere
Forderung hat namentlich noch in dem Schreiben vom 18. November 1867 Ausdruck gefunden.
Nachdem aber durch Gemeindebeschluß vom 23. November 1867 die Erstattung der Verpflegungs-
kosten über 6 Wochen hinaus abgelehnt war, sind die weiteren Schritte verabsäumt. Andererseits
hatte Sp. unzweifelhaft in amtlicher Eigenschaft namens der Gemeinde Ladbergen für die Unter-
bringung der K. gesorgt, wie daraus klar hervorgeht, daß die Kosten über Jahr und Tag aus
der Gemeindekasse gezahlt sind.
Wenn nun der Amtmann Sp. später, um seine Säumigkeit in der Wiedereinziehung der
Kosten nicht zur Sprache gebracht zu sehen, selbst die Kosten verauslagte und die gezahlten der
Gemeinde Ladbergen erstattete, so wird die Absicht, etwa Privatwohlthätigkeit zu üben, oder dem
jetzt verklagten Armenverbande eine Zuwendung zu machen, schon dadarch ausgeschlossen, daß er
die Erstattung und Uebernahme der Fürsorge ausdrücklich beansprucht hatte. Deshalb kann nur
angenommen werden, daß er die von dem vorläufig zur Unterstützung verpflichteten Armenverbande
Ladbergen zu zahlenden Kosten nur für diesen als Armenverpflegungsgelder verauslagt hat und
damit im Wege der nothwendigen Zession in dessen Rechte getreten ist. Hiernach ist die K.
während der ganzen 277 ihres Aufenthalts in Ladbergen als im Wege der öffentlichen Armen=
pflege unterstützt anzusehen.
Der Anspruch auf Uebernahme eines Hilfsbedürftigen setzt nach §. 31 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870
als selbstverständlich voraus, daß der Zustand der Nothwendigkeit einer öffentlichen Armenunterstützung auch
noch zur Zeit der Klage fortbestanden hat. Da Umstände der verschiedensten Art in der Lage der bisher
Hilfsbedürftigen eine solche Aenderung herbeigeführt haben können, daß eine Bedürftigkeit nicht mehr besteht,
damit aber der rechtliche Grund der Ausweisung fortfällt, so ist der Uebernahmeantrag nur so lange zulässig,
als die früher eingetretene Hilfsbedürftigkeit noch vorhanden ist und nicht wegen bloßer Besorgniß künftiger
Wiederkehr derselben. Der Unterstützung muß daher ein dauerndes Bedürfniß zu Grunde liegen, welches auf
dieselbe Ursache zurlckzuführen ist und es darf nicht eine inzwischen eingetretene Veränderung die Annahme
rechtfertigen, daß eine Bedürftigkeit nicht mehr vorhanden sei.