Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Zehnter Jahrgang. 1882. (10)

— 174 — 
3. Heimath-Wesen. 
  
Ueber die Auslegung des §. 25 des Unterstützungswohnsitz-Gesetzes vom 26. Juni 1870 sprechen sich zwei 
Erkenntnisse des Bundesamts für das Heimath-Wesen vom 11. März 1882, wie folgt, aus: 
1. In Sachen Bergen wider Greifswald heißt es: 
Die Parteien sind darüber einverstanden, daß für den Arbeiter G., welchen Kläger vom 
28. Februar bis 27. März 1881 krankheitshalber hat verpflegen müssen, die gesetzliche Frist zum 
Verluste des Unterstützungswohnsitzes in Bergen am 18. Juni 1877 zu laufen begann, daß der- 
selbe aber vom 7. Oktober 1878 bis 6. April 1879 in der ursprünglichen Heimath Bergen sich 
anwesend befunden hat. Streitig ist nur, ob durch diese Anwesenheit der Lauf der zweijährigen 
Verlustfrist eine Unterbrechung erfahren hat, dergestalt, daß vom 7. April 1879 ab eine neue 
Frist zu laufen anfing. 
Mit Recht hat der erste Richter eine Unterbrechung angenommen. 
Als G. am 7. Oktober 1878 nach Bergen zurückkehrte, um dort Krankenpflege auf öffentliche 
Kosten nachzusuchen, konnte er offenbar die Dauer seines Aufenthaltes im voraus selbst nicht 
bestimmen. Da er krank und erwerbsunfähig war, so dachte er gewiß nicht daran, Bergen eher 
wieder zu verlassen, als bis er geheilt sein würde. Die Rückkehr zu einem Aufenthalte von ganz 
unbestimmbar langer Dauer muß aber als eine Unterbrechung der Abwesenheit im Sinne des 
Gesetzes angesehen werden, da §. 25 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 nur kurz vorüber- 
gehende Besuche am Orte des Unterstützungswohnsitzes nicht als Unterbrechungen der Abwesenheit 
gelten läßt. Allerdings drückt dies §. 25 cit. mit den Worten aus: „wenn aus den Umständen, 
unter welchen sie (sc. die Rückkehr) erfolgt, die Absicht erhellt, den Aufenthalt nicht dauernd 
fortzusetzen“. Und Beklagter scheint hieraus zu folgern, daß kein auch noch so langer Aufenthalt 
am Orte des Unterstützungswohnsitzes rechtlich in Betracht komme, welcher nicht für immer fort- 
gesetzt werden soll. Diese Auslegung entspricht aber, wie das Bundesamt in konstanter Recht- 
sprechung angenommen hat, dem Sinne der allegirten Gesetzesbestimmung keineswegs, welche viel- 
mehr unter nicht dauerndem Aufenthalte einen Aufenthalt von kurz bemessener Ausdehnung versteht. 
Sonst würde das widersinnige Resultat sich ergeben, daß selbst ein zweijähriger Aufenthalt unter 
Umständen ungeeignet wäre, die Abwesenheitsfrist zu unterbrechen, obwohl er hinreichend sein 
würde, einen neuen Unterstützungswohnsitz zu begründen. 
Es bedurfte daher nicht erst der Feststellung, daß G. sich in Bergen nach Arbeit umgesehen 
hat, bevor er den Ort verließ, um sich dafür zu entscheiden, daß in seinem sechsmonatlichen Auf- 
enthalte vom 7. Oktober 1878 bis 6. April 1879 nicht ein bloßer vorübergehender Besuch, 
sondern eine Unterbrechung der Abwesenheit auch im Rechtssinne zu erblicken ist. 
Schließlich ist zu gedenken, daß die Bestimmung in §. 11 Alinea 2 des Reichsgesetzes vom 
6. Juni 1870, wonach durch den Eintritt in eine Kranken-Bewahr= oder Heilanstalt der Auf- 
enthalt an einem Orte nicht begonnen wird, auf den vorliegenden Fall keine Anwendung findet. 
G. scheint zwar nach seiner Ankunft in Bergen alsbald in das kreisständische Krankenhaus auf- 
genommen zu sein und ist in demselben bis 12. Februar 1879 verblieben. Die gedachte singuläre 
Bestimmung ist jedoch, was schon ihre Aufnahme in den die Berechnung der zweijährigen Erwerbsfrist 
normirenden §. 11 des Gesetzes deutlich ergiebt, nur maßgebend, wenn es sich darum handelt, den 
Anfangstermin der Erwerbsfrist zu bestimmen, gleichwie die korrespondirende Bestimmung in §. 23 
Alinea 2 leg. cit. ausschließlich den Beginn der zweijährigen Verlustfrist regelt, und nirgend im Gesetze 
ist gesagt, daß durch den Eintritt in eine Kranken-Bewahr= oder Heilanstalt auch der Lauf der Verlust- 
frist (die Abwesenheit) nicht unterbrochen werden, oder daß die Anwesenheit am bisherigen Auf- 
enthaltsorte als fortdauernd gelten und der Lauf der Erwerbsfrist keine Störung erleiden soll, 
wenn die Abwesenheit mit dem Eintritte in eine solche Anstalt beginnt. Unstatthaft wäre es, 
die Nichtanwesenheit eines vor dem Ablaufe der Verlustfrist Zurückgekehrten nur deshalb ohne 
weiteres zu fingiren, also hier den 2c. G. als fortdauernd abwesend von Bergen in der Zeit 
vom 7. Oktober 1878 bis 12. Februar 1879 zu behandeln, weil der Aufenthalt während dieses
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.