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gerichtet, so versagt die Befreiung unter Nr. 3, auch wenn die betreffenden Briefe auf Entfernungen von
15 Kilometern und mehr gewechselt werden. — Auf gleicher Grundlage beruht der achte der von dem Bundes-
rathe unter dem 5. Juli 1882 zur Beseitigung von Zweifeln und Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der
Auslegung und Anwendung des Reichsgesetzes vom 1. Juli 1881 gefaßten Beschlüsse (zu vergl. Centralorgan
für das Deutsche Reich vom Jahre 1882 Nr. 28 Seite 336), in welchem die Befreiung sub Nr. 3 auf solche
Briefe für nicht anwendbar erklärt ist, in denen der bereits vorher brieflich oder mündlich durch Herstellung
des Konsenses erzielte Abschluß eines der Tarifnummer 4 a angehörigen Geschäfts unter Zusammenstellung der
Geschäftsbedingungen bestätigt wird. Diesem Beschlusse, welcher auf der Annahme beruht, daß Briefe,
welche formulirte Vertragsinstrumente enthalten und von den Betheiligten nach Abschluß des Geschäfts zu dem
Zwecke ausgestellt werden, die mit dem Besitze eines solchen verbundenen Vortheile zu gewähren, nicht mehr
dem Bereiche der eigentlichen Handelskorrespondenz angehören, und daß deshalb auf solche die nach der Absicht
des Gesetzes nur auf die letztere berechnete Befreiung von der Abgabenpflicht nicht anwendbar sei., — diesem Be-
schlusse wird beizutreten sein. Die gleichen Gesichtspunkte müssen aber auch für maßgebend erachtet werden
bei Beurtheilung der Korrespondenz zwischen Auftraggeber und Unterhändler über die von dem letzteren ver-
mittelten oder abgeschlossenen Geschäfte der in Tarifnummer 4a gedachten Art. Auch hier wird zu unter-
scheiden sein zwischen den im Handelsverkehre gewöhnlichen, zu dessen Vermittelung dienenden geschäftlichen
Mittheilungen über die Ausführung des Auftrags, und zwischen Schriftstücken, deren Abfassung und Ueber-
sendung auf der Absicht beruht, urkundlichen Beweis über das vermittelte oder geschlossene Geschäft dem Auf-
traggeber zu schaffen. Und hier wird für Beantwortung der Frage, ob ein in Briefform gekleidetes Schrift-
stück der einen oder anderen Kategorie angehört, die rechtliche Natur des zwischen Auftraggeber und Unter-
händler bestehenden Vertragsverhältnisses von wesentlicher Bedeutung sein können. Von der Zurechnung zur
eigentlichen Handelskorrespondenz werden zunächst unbedingt und ohne Rücksicht auf die Entfernung der Be-
förderung auszuschließen sein die in Briefform eingekleideten Schlußnoten, Buchauszüge 2c., welche der ver-
eidete Handelsmäkler seinem Auftraggeber über das für diesen vermittelte Geschäft zustellt, ebenso aber auch,
sofern der Zweck der übermittelten Schriftstücke hierbei im Zweifel ebenfalls die Gewährung eines urkundlichen
Beweismittels ist, die von dem Privathandelsmäkler dem Auftraggeber übersendeten Schriften gleichen Inhalts.
Je nach der Lage des einzelnen Falles wird dagegen die Frage nach der Zugehörigkeit der in Briefform ge-
kleideten Schriftstücke zu der eigentlichen Handelskorrespondenz einer verschiedenen Beantwortung unterliegen
können, soweit es sich um Schriftstücke handelt, welche der Kommissionär oder der mit Vollmacht zum Ge-
schäftsabschlusse versehene Agent oder ein sonstiger nicht im Handelsgewerbe des Auftraggebers angestellter
Beauftragter an den Auftraggeber befördert und welche den Abschluß der für deren Rechnung vereinbarten
Geschäfte zum Gegenstande haben. Ob es sich hierbei um gewöhnliche geschäftliche Mittheilungen, einfache
Berichterstattungen und Aehnliches handelt, was als zur eigentlichen Handelskorrespondenz gehörig zu bezeichnen
und daher bei Beförderung des Schriftstückes auf mindestens 15 Kilometer als stempelfrei zu erachten ist, oder
ob der Zweck des Schriftstücks die Gewährung urkundlichen Beweises über Ausführung des Auftrags und
Abschluß des Geschäfts ist, dafür werden neben der rechtlichen Natur des beurkundeten Geschäfts, neben Sitten
und Gebräuchen, die an den betreffenden Handelsplätzen, namentlich hinsichtlich der Form des geschäftlichen
Verkehrs der benannten Unterhändler und ihrer Auftraggeber bestehen, vor allem die Formulirung und äußere
Fassung der in Rede stehenden Schriftstücke, hiermit aber Momente von ausschlaggebender Bedeutung sein,
welche die Beantwortung der Frage als eine auf wesentlich thatsächlichem Gebiete liegende erscheinen lassen.
Nach allen diesen Richtungen hin hat die Vorinstanz den Sachstand nicht geprüft und Thatsachen,
aus denen die erforderlichen Entscheidungsnormen gewonnen werden könnten, nicht festgestellt. Es war des-
halb auf die Revision der Angeklagten das angefochtene Urtheil aufzuheben, dagegen nicht zur Freisprechung
der Angeklagten, sondern nur zur Zurückverweisung der Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung
zu gelangen. Mit Rücksicht hierauf erscheint
2. das Eingehen auf die Revision der Staatsanwaltschaft geboten, welche dagegen gerichtet
ist, daß, obwohl die Vorinstanz die Stempelpflichtigkeit der sämmtlichen in Frage stehenden sechs Schriftstücke
anerkennt, doch hinsichtlich einzelner derselben die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten für die als
vorhanden angenommene Steuerkontravention verneint worden ist. Auch diese Revision erscheint begründet.
Sämmtliche Schriftstücke tragen die Unterschrift der Firma M. & M. Die Vorinstanz stellt fest,
daß diese Unterschriften bewirkt worden sind hinsichtlich der Briefe vom 8. November 1881 und 8. Juni
1882 von dem Angeklagten M., hinsichtlich der Briefe vom 31. Mai und 10. Juni 1882 von dem Ange-
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